Nach dem Fall Amthor schwindet in der Union der Widerstand Das verbindliche Lobbyregister rückt näher

Berlin · Der Fall Philipp Amthor hat die Debatte um den Lobbyismus in der Berliner Politik neu aufleben lassen. Jetzt könnte sogar das lange geforderte Lobbyregister kommen.

 Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor warb in Ministerien für ein IT-Unternehmen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor warb in Ministerien für ein IT-Unternehmen.

Foto: dpa/Jens Büttner

„Wir sind da sehr offen, dass wir so etwas beschließen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag. Bisher hatte die Union ein solches Instrument blockiert.

An diesem Mittwoch treffen sich die Experten der Koalitionsfraktionen, um eine gemeinsame Linie zu finden. Linke, Grüne, FDP und SPD wollen ein Lobbyregister schon lange. Zur neuen Kompromissbereitschaft der Union in dieser Sache dürfte zum einen das schlechte Gewissen über die Aktivitäten ihres Nachwuchsstars aus Mecklenburg-Vorpommern beigetragen haben.

Der 27-jährige Abgeordnete Am­thor hatte sich in Berliner Ministerien für das junge US-IT-Unternehmen „Augustus“ stark gemacht, unter anderem auf seinem offiziellen Bundestags-Briefpapier. Die Firma bekam daraufhin Termine mit Staatssekretären und hochrangigen Beamten; Amthor als Gegenleistung Aktienoptionen und Reisen, unter anderem zum Firmensitz in New York. Das hatte der Spiegel enthüllt.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das riesige Lobbygeflecht in der Hauptstadt. Zum einen besteht es aus den Branchen- und Interessensverbänden sowie den Nichtregierungsorganisationen. 2322 von ihnen haben sich in die „Verbändeliste“ des Bundestages eintragen lassen, von der Apotheker-Organisation Abda bis zum Zweirad-Industrie-Verband. Die Eintragung ist freiwillig und hat keinerlei Vor- oder Nachteile. Viele dieser Verbände haben sich darüber hinaus Hausausweise des Bundestages besorgt; über 700 wurden an sie ausgeteilt. Teilweise werden sie allerdings wohl von den Mitarbeitern vornehmlich dazu genutzt, die Kantinen des Parlaments aufzusuchen.

Außerdem findet ein reger Lobbyismus für Firmen statt. Oft erledigen das so genannte „Politikberater“. Meist sind das ehemalige Politiker und Ministeriumsmitarbeiter oder frühere Journalisten, die gute Kontakte in das Parlament und in die Ministerien haben. Manche von ihnen sind sehr bekannt – wie der frühere Regierungssprecher Thomas Steg, der für Volkswagen die Regierungskontakte hält. Andere wirken im Hintergrund. Um sie geht es beim „Lobbyregister“. Dieses soll öffentlich einsehbar alle Personen auflisten, die der Kontaktpflege in Berlin nachgehen – mit Name, Budget und Auftraggeber. Nur registrierte Lobbyisten sollen Zugang zu öffentlichen Stellen haben. Und das Verschweigen von Angaben soll sanktioniert werden. Außerdem wollen die Reformer, dass in jedem Gesetz aufgeführt wird, wer darauf Einfluss genommen hat.

Die Affäre Amthor beschleunigt die Debatte nun, obwohl sie eigentlich mit dem Thema Lobbyregister nichts zu tun hat. Denn Abgeordnete sind in allen bisherigen Reformentwürfen von der Regelung ausgenommen. Ihre Lobbytätigkeit lässt sich wohl nur über Veröffentlichungspflicht von Nebeneinkünften transparent gestalten. Bisher müssen diese zwar angegeben werden, Aktienoptionen jedoch nicht. Für den Verein „Lobbycontrol“ eine klare Lücke: „Abgeordnete und Mitglieder der Bundesregierung sollten nicht nur Nebeneinkünfte offenlegen, sondern auch relevante Vermögenswerte, die zu Abhängigkeiten oder Interessenkonflikten führen können“, verlangt die Organisation.

Amthor hat die Aktienoptionen zurückgegeben und sich entschuldigt. Trotzdem ermittelt die Bundestagsverwaltung wegen möglicher Verstöße gegen die Verhaltensregeln gegen ihn. Und die Fraktionsführung will mit ihm „klärende Gespräche“ führen. Offen ist zudem, ob Amthor seine Ambitionen als künftiger CDU-Landeschef und Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern aufrechterhalten kann.

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