Neun Jahre Kampf gegen Assad In Syrien ist kein Ende des Bürgerkriegs in Sicht

Damaskus · Syrien im neunten Jahr eines blutigen Bürgerkriegs: Es ist stiller geworden um den Konflikt, weil sich die Lage in vielen Teilen beruhigt hat. Seit die Anhänger von Präsident Baschar al-Assad im vergangenen Jahr die Provinz Daraa im Süden unter Kontrolle bringen konnten, beherrschen sie fast zwei Drittel des Landes.

Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verlor in diesem Frühjahr ihre letzte Bastion. Und trotzdem ist ein Ende des Bürgerkrieges nicht in Sicht. Von einem echten Frieden gar nicht zu reden. Stattdessen drohen neue Kämpfe mit noch mehr Opfern. Mindestens 400 000 Menschen sind in diesem Konflikt schon gestorben.

2011 gingen Syrer gegen Assad auf die Straße, der schlug hart zu. Heute ist Syrien de facto dreigeteilt. Assads Anhänger beherrschen den Süden, das Zentrum und die Mittelmeerküste im Westen. Dazu gehören auch die wichtigsten Städte wie Damaskus oder Aleppo. Doch weil Syrien international isoliert ist, bleibt die Wirtschaftslage schlecht. Der Regierung fehlt zudem das Geld für den Wiederaufbau.

Im Norden und Nordosten haben die Kurden ein riesiges Gebiet an der Grenze zur Türkei und zum Irak unter Kontrolle, in dem sie eine Selbstverwaltung errichtet haben. Assads Regierung besitzt hier keine Macht. Und dann sind da noch die Gebiete im Nordwesten, in denen die Rebellen das Sagen haben, vorneweg um die Stadt Idlib, das letzte große Territorium der Assad-Gegner.

Nirgendwo ist die Lage so dramatisch wie hier. Rund drei Millionen Menschen leben in der Region, fast die Hälfte Vertriebene. Seit Monaten ringen die Kriegsgegner um Idlib: auf der einen Seite die Regierung mit ihrem engen Verbündeten Russland, auf der anderen Seite die Rebellen mit der Türkei als Unterstützter. Assad hat das Ziel ausgegeben, das ganze Land bis zum letzten Fußbreit wieder einzunehmen. Doch eine neue Offensive könnte die nächste humanitäre Katastrophe bedeuten, da Hunderttausende versuchen würden, in die Türkei zu kommen.

Im September einigten sich Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan im Badeort Sotschi am Schwarzen Meer auf eine Pufferzone für Idlib. Doch die Halbwertszeit von Einigungen für Syrien ist kurz. Assads Truppen begannen Ende April mit Angriffen, auch russische Jets bombardieren dort immer wieder Ziele. Erst in dieser Woche scheiterte eine neue Waffenruhe.

Dominiert wird die Region in Idlib von der Al-Qaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Damaskus und Moskau argumentieren, sie bekämpften dort Terroristen. Die Rebellen halten dagegen, die Terroristen säßen in Damaskus.

Weder ist eine militärische Lösung noch eine politische in Sicht. Längst hätte der vereinbarte Verfassungsausschuss zusammentreten sollen. Doch bisher konnten sich Regierung und Rebellen nicht auf die Besetzung des Gremiums einigen.

Fast genauso weit gehen die Interessen im Norden auseinander, wo die Türken die kurdische Selbstverwaltung mit Widerwillen betrachten, weil sie darin eine Vorstufe für einen eigenen kurdischen Staat sehen. Die dort herrschende YPG-Miliz hält Ankara zudem für einen syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und damit für eine Terrororganisation. Erst in dieser Woche drohte Erdogan mit einer Militärintervention. Das wiederum stellt die USA vor Probleme, denn die YPG ist in Syrien Washingtons wichtigster Partner im Kampf gegen den IS. Die US-Armee hat dort weiter eigene Soldaten im Einsatz. Beide Seiten einigten sich jetzt im Prinzip auf eine Sicherheitszone entlang der Grenze. Doch wie die genau aussehen soll, ist völlig unklar. Und dann ist da noch der IS der auf ein Comeback hofft.

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