Folgen der Schießereien von Dayton und Ohio Nebelkerzen im Kampf gegen US-Waffenwahn

Washington. · Für frühere Schulfreunde war es keine Überraschung, dass der 24-jährige Connor Betts aus Ohio Samstagnacht in einem beliebten Bar-Bezirk der Stadt Dayton das Feuer auf Passanten und Gäste des Lokals eröffnete.

Der Todesschütze war mehrfach durch Gewalt-Fantasien aufgefallen, wie Zeugen übereinstimmend berichten. So war er zeitweise von seiner High School suspendiert worden, weil er 2012 damit prahlte, eine Liste von Mitschülern aufgestellt zu haben, die er entweder töten oder vergewaltigen wollte. Auch die örtliche Polizei wurde eingeschaltet – doch am Ende unternahmen die Behörden nichts.

So konnte Betts kürzlich legal ein Schnellfeuergewehr erwerben und absolvierte auch einen Hintergrundcheck des FBI ohne Probleme. Der Grund: Sein extrem fragwürdiges Verhalten wurde nicht der Bundespolizei mitgeteilt, weil es unter die Kategorie einer mentalen Störung fiel – und Datenschutzgesetze im Gesundheitssystem eine Weitergabe der Informationen untersagten. „Nichts im Hintergrund des Täters war ein Grund dafür, ihm einen Waffenkauf zu verweigern,“ so Daytons Polizeichef Richard Biehl. Auch ist es kein Problem, jene kugelsichere Weste, die Betts bei seinem Amoklauf trug,  in allen 50 Bundesstaaten legal zu kaufen.

Dieses Beispiel zeigt, wie schwer es für Präsident Donald Trump sein wird, sein am Montag vorgestelltes Sammelsurium an Ideen zur Bekämpfung von Amokläufen umzusetzen, das wesentliche Reformen in Sachen Waffenbesitz ohnehin ausgespart hat. Die meisten Bundesstaats-Gesetze sehen beispielsweise vor, dass kriminelle Aktionen von Jugendlichen unter 18 Jahren versiegelt werden – und ebenfalls nicht in der Datensammlung registriert werden, die Waffenhändler zur Abklärung von Kunden benutzen.

Trump klassifizierte Amokschützen als mental gestört – und verdrängte, dass die meisten von ihnen aus Hass handeln. Der Täter, der am Wochenende im texanischen El Paso 22 Menschen erschoss, tötete mutmaßlich aus Hass auf Mexikaner in den USA - wobei, wie das Auswärtige Amt in Berlin jetzt bestätigte, auch ein deutscher Staatsbürger ums Leben kam. Seine Identität blieb gestern offen.

Ex-Präsident Barack Obama räumte jetzt ein, dass kein Gesetz alle Gewalttaten verhindern könne. Aber es gebe Belege dafür, dass sie „einige der Tötungen verhindern können“, so Obama, der gleichzeitig mit einem Seitenhieb auf Trump eine Sprache des Hasses und der Angst verurteilte – ohne allerdings seinen Nachfolger beim Namen zu nennen.  Die sogenannten „Red Flag“(„Rote Flagge“)-Gesetze in mittlerweile 17 vorwiegend liberal regierten Bundesstaaten erlauben es der Polizei oder Angehörigen, einen richterlichen Antrag auf die Entfernung von Waffen von mutmaßlichen Gefährdern zu stellen. Doch in Washington lehnen führende Republikaner ein landesweites Gesetz dieser Art unter Hinweis auf die Verfassungsrechte der Bürger ab.

Auch ist es in den USA leicht, sich ohne den Weg ins Waffengeschäft eine Pistole oder ein Gewehr zu beschaffen – wie beispielsweise bei den beliebten „Gun Shows“. Bei über 300 Millionen im Umlauf befindlichen Waffen wird schnell klar, wie groß die Herausforderung sein wird. Und die Waffenlobby-Organisation NRA (National Rifle Organisation) hat in einer Massen-E-Mail an ihre Mitglieder am Montag klar gemacht, dass sie nicht klein beigeben will. Um ein „Desaster bei den Wahlen“ zu vermeiden, das in schärferer Gesetzgebung münden würde, möge man doch bitteschön bereits vorzeitig die Mitgliedschaft verlängern. Das Geld will die NRA dann für verstärkte Werbemaßnahmen verwenden. Als Belohnung winken Geschenke wie unter anderem eine Weste mit viel Platz für Magazine und ein Kampfmesser.

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