Präsident gibt sich bürgernah Macron braucht mehr als eine Charme-Offensive

Paris · Es sind Auftritte aus dem Lehrbuch der politischen Kommunikation. Emmanuel Macron spaziert gut gelaunt durch Bormes-les-Mimosas, einem kleinen Städtchen an der französischen Mittelmeerküste.

  Emmanuel Macron hat spät auf die Gelbwesten reagiert. 

Emmanuel Macron hat spät auf die Gelbwesten reagiert. 

Foto: dpa/Thierry Roge

Er schüttelt unzählige Hände, beantwortet geduldig Fragen. Einige Tage zuvor war der französische Präsident in Bagnères-de-Bigorre, ein Dorf am Fuße der Pyrenäen, in dem seine Großmutter Manette lebte. Dort dasselbe Szenario: Der Staatschef steht in der Menge, gibt sich als geduldiger Zuhörer, der sich die Sorgen seiner Landsleute zu Herzen nimmt.

Die gut geölte Medienmaschine des Präsidenten sorgt dafür, dass die Bilder dieser Auftritte auf allen Kanälen ihren Weg zu den Franzosen finden. Die Botschaft: Emmanuel Macron ist nicht unnahbar, nicht abgehoben, nicht arrogant! Emmanuel Macron ist ein Präsident des Volkes! Das neue Zauberwort in der Entourage des Staatschefs heißt: „la proximité!“ Nähe!

Der Grund für dieses sommerliche Politik-Schauspiel ist offensichtlich. Seit Monaten versucht Macron vergeblich, sich aus einem tiefen Popularitätsloch herauszuarbeiten. Die Proteste der Gelbwesten, der „Gilets Jaunes“, haben ihm und der Regierung schwer zugesetzt. Vor allem in der Peripherie gehen seit Monaten die Menschen auf die Straße, sichtbar wird ein tiefer Graben zwischen Erfolgreichen und Abgehängten. Umfragen bestätigen, dass die große Mehrheit der Franzosen die Forderungen der Gelbwesten unterstützt, vor allem nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Macron hat diese Bewegung anfangs sträflich ignoriert, ja lächerlich gemacht, doch nun geht der Präsident in die Gegenoffensive – und er zeigt sich ungewöhnlich demütig. „Ich glaube, in den vergangenen sechs Monaten habe ich viele Dinge falsch gemacht“, sagte der Präsident dieser Tage vor Journalisten. Er äußert Verständnis für die Wut der Menschen und erinnert daran, dass die Regierung schon einige Verbesserungen in die Wege geleitet habe. So wurden etwa die Renten erhöht, die Steuern für niedrige Einkommen gesenkt oder die Leistungen für Alleinerziehende ausgeweitet. Gleichzeitig mahnt Emmanuel Macron zu mehr Geduld, denn nicht alle Forderungen könnten von einem Tag auf den anderen erfüllt werden.

Allerdings macht der Staatschef auch deutlich, dass er nicht alles zu verantworten hat, was in Frankreich schiefläuft. Viele Probleme, wie etwa die soziale Ungerechtigkeit, hätten ihre Wurzeln weit in der Vergangenheit, und auch die wirtschaftlichen oder ökologischen Probleme seien nicht von heute auf morgen aufgetreten. „Ich glaube, dass all diese Dinge den Menschen Angst machen“, analysiert Macron, deshalb sei es die Aufgabe der Regierung, den Menschen diese Sorgen zu nehmen und Perspektiven zur Lösung dieser Probleme aufzuzeigen.

Das heißt im Klartext, dass der Präsident an seinem politischen und wirtschaftlichen Kurs weiter festhalten wird. Allerdings will er in Zukunft häufiger die Nähe zu seinem Volk suchen. Die Kritiker tun solche Auftritte natürlich als reine PR-Veranstaltungen ab, ausgeheckt von einigen Politik-Strategen.

Macron muss zeigen, dass er in der Lage ist, die tiefe Kluft zu überwinden, die sich quer durch die französische Gesellschaft zieht. Ob das gelingt, ist inzwischen mehr als fraglich.  Das Misstrauen sitzt sehr tief. In dieser Situation wittert die extreme Rechte ihre Chance, die sich immer als Anwalt des kleinen Mannes präsentiert hat und schon bei den Europawahlen im Mai der Schwäche des Staatschefs profitieren konnte. Die nächsten Monate müssen zeigen, ob Emmanuel Macron doch noch zum Präsident aller Franzosen wird. Gelingt ihm dies nicht, könnte die nächste Präsidentin Frankreichs Marine Le Pen heißen.

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