Syrien-Treffen Dreiergipfel endet ohne Lösung für Idlib

Antakya · In der syrischen Provinz wächst die Angst vor einer Offensive Assads. Derweil finden die Türkei, Russland und der Iran keine gemeinsame Linie zur Lage.

 So verbunden wie auf dem Gipfel-Foto sind die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei (v.l.), Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Recep Tayyip Erdogan, in der Syrien-Frage nicht. Erdogan konnte seine Amtskollegen auf dem Dreiergipfel nicht von einem Appell zur Waffenruhe überzeugen.

So verbunden wie auf dem Gipfel-Foto sind die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei (v.l.), Wladimir Putin, Hassan Ruhani und Recep Tayyip Erdogan, in der Syrien-Frage nicht. Erdogan konnte seine Amtskollegen auf dem Dreiergipfel nicht von einem Appell zur Waffenruhe überzeugen.

Foto: dpa/-

Wie es den Menschen in Idlib geht? Die ältere Frau, die gerade aus der syrischen Rebellenregion in die Türkei zurückgekehrt ist, muss nicht lange überlegen: „Alle haben große Angst“, sagt die Syrerin, während der Wind heftig über den Platz am Grenzübergang nahe der türkische Stadt Antakya fegt. Und fährt fort: „vor den Bombardierungen“. Sie hebt ihre Hand ein paar Mal gen Himmel. „Die Flugzeuge, die Flugzeuge.“

In den vergangenen Tagen flogen die Kampfjets wieder über die Region im Nordwesten Syriens, in der sich seit Wochen die nächste und vielleicht letzte große Schlacht dieses blutigen Bürgerkrieges abzeichnet. Das Gebiet um die Stadt Idlib ist die einzige große Hochburg, die den Gegnern der Regierung von Machthaber Baschar al-Assad nach vielen Niederlagen noch geblieben ist. Die Führung in Damaskus hat dort ihre Truppen aufmarschieren lassen und droht mit einer Offensive.

Auch Moskau, Syriens enger Verbündeter, scheint gewillt zu sein, diesen Angriff zu unterstützen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wetterte in der vergangenen Woche, in Idlib hätten sich Terroristen gesammelt. Diese „Eiterbeule“ müsse „liquidiert“ werden.

Bei einem Syrien-Gipfel im iranischen Teheran konnte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin und den zweiten Damaskus-Verbündeten, Gastgeber Hassan Ruhani, am Freitag nicht von einer Waffenruhe für Idlib überzeugen. Stattdessen bekräftigten die drei Staaten in ihrer Abschlusserklärung den Willen, Gruppen mit Verbindung zu Al Qaida oder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu zerstören. „Wir wollen Frieden, aber manchmal muss auch für den Frieden gekämpft werden“, sagte Ruhani. Im Kampf gegen den Terror solle jedoch zwischen den Extremisten und anderen Oppositionsgruppen unterschieden werden. Auch der Schutz der Zivilbevölkerung wurde betont. Nach den vagen Ergebnissen von Teheran scheint der Weg für die syrische Regierung in Idlib nun zumindest für eine begrenzte Offensive gegen die Miliz Haiat Tahrir al-Scham frei.

Damaskus und Moskau rechtfertigten ihre Drohungen in den letzten Wochen vor allem unter Hinweis auf die Miliz, früher bekannt unter dem Namen Al-Nusra-Front. Die bewaffnete Gruppe gilt als Ableger des Terrornetzwerks Al Qaida, auch wenn sie sich von diesem offiziell losgesagt hat. Nach Kämpfen mit anderen Rebellen stieg sie im vergangenen Jahr zur dominierenden Kraft in Idlib auf und ist dort trotz des Rückzugs aus einigen Orten weiter stark vertreten.

Die syrische Regierung sieht sich durch die militärischen Erfolge in den vergangenen Monaten bestätigt. Die Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes, darunter das Zentrum und fast alle wichtigen Städte. Sollten sie Idlib einnehmen können, wären die Rebellen nach mehr als sieben Jahren Bürgerkrieg praktisch besiegt.

Doch sollte tatsächlich der schlimmste Fall eintreffen und ein Großangriff die Region treffen, droht eine humanitäre Katastrophe, die schlimmer sein könnte als alle bisherigen Krisen in Syrien. Fast drei Millionen Zivilisten leben in Idlib, so die Schätzung der UN. Fast die Hälfte von ihnen ist schon einmal vertrieben worden. Schon jetzt ist die Not groß.

Alaa Walai, Chef der in Antakya ansässigen syrischen Hilfsorganisation Sard, warnt, ebenso wie die Vereinten Nationen, vor einer humanitären Katastrophe durch eine Offensive in Idlib. Schon jetzt sei die Region mit Flüchtlingen aus anderen Teilen Syriens überfüllt. Sie wollen auf keinen Fall unter der Herrschaft Assads leben, eine Rückkehr ist ausgeschlossen. Die Türkei hat die Grenze geschlossen. Bleibt als Ausweg ein kleines Gebiet ganz im Norden unter Kontrolle von Truppen Ankaras und pro-türkischen Rebellen – eine Region, die zu schwach ist, um Hunderttausende aufzunehmen, die vertrieben werden könnten. Die türkische Regierung arbeitet deswegen daran, die Offensive zu verhindern, weil sie einen enormen Druck auf ihre Grenze befürchtet – und das vor den Augen einer alarmierten Weltöffentlichkeit.

Walais Organisation im Grenzgebiet, die unter anderem Feldküchen betreibt, bereitet sich unterdessen auf den schlimmsten Ernstfall in Idlib vor. Vor dem alle Angst haben.

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