Endspurt im Gerangel um die Privatisierung der Bahn

Berlin. Bei den Fragen zum Börsengang holte Hartmut Mehdorn gestern zum Rundumschlag aus. Hermann Scheer, der Dauerkritiker von der SPD, bekam bei der Bilanzpressekonferenz der Bahn sein Fett weg

Berlin. Bei den Fragen zum Börsengang holte Hartmut Mehdorn gestern zum Rundumschlag aus. Hermann Scheer, der Dauerkritiker von der SPD, bekam bei der Bilanzpressekonferenz der Bahn sein Fett weg. Und auch Befürchtungen des hessischen Verkehrsministers Alois Rhiel (CDU), nach einer Teilprivatisierung werde der Regionalverkehr zugunsten des Fernverkehrs vernachlässigt, wischte der Konzernchef vom Tisch. Mehdorn befürchtet, die Debatte der Politiker könnte am Ende einen Börsengang verhindern - und damit aus seiner Sicht den Aufstieg der Bahn zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen. "Um uns herum tobt der Bär", beschrieb Mehdorn den Wettbewerb auf deutschen Schienen. Die internationale Konkurrenz schlafe nicht. Überdies investierten Länder wie Spanien, Frankreich und Italien jedes Jahr viel mehr Geld in ihre Schienennetze. Deutschland liege da im Schlussfeld der EU - "und das ausgerechnet als Transitland und Exportnation". Die Liste der Projekte, die schneller als bislang geplant verwirklicht werden müssten, ist nach Mehdorns Überzeugung "ziemlich lang". Als Beispiele nannte er den Ausbau der Rheinschiene und die Bahn-Anbindung an die deutschen Seehäfen.Kritiker wie das Bündnis "Bahn für alle" sehen schon heute die Substanz der Bahn in Gefahr. 6000 Streckenkilometer seien seit der Bahnreform 1994 abgebaut und 600 Bahnhöfe geschlossen worden. "Damit wird Flexibilität aufgegeben und das Netz anfälliger für Verspätungen", moniert der Bahn-Experte des Bündnisses, Bernhard Knierim. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand: "Kurzfristige Gewinne werden mit massiven, mittel- und langfristig wirkenden Verschlechterungen erkauft." Bis zum 28. April wollen die Spitzen der großen Koalition eine Entscheidung über die Zukunft des letzten großen Staatsunternehmens fällen. Geprüft wird derzeit ein Modell aus dem Finanzministerium, wonach Investoren nicht vom gesamten Konzern, sondern nur von einer Zwischenholding für den Güter- und Personenverkehr bis zu 49 Prozent Anteile kaufen können. Das ist zwar nicht Mehdorns Lieblingsmodell, aber er kann sich damit anfreunden. Es sei "überhaupt nicht schädlich, wenn die Infrastruktur zu 100 Prozent beim Bund bleibt", betonte er. Für "absoluten Unsinn" hält der Bahnchef dagegen Überlegungen, den Logistik-Bereich abzuspalten. Damit liegt er ganz auf Linie der Gewerkschaften.Der größte Stolperstein auf dem Weg zur Teilprivatisierung bleibt die SPD. Eine Arbeitsgruppe der Partei beschäftigte sich gestern mit dem umstrittenen Thema. Deren Leiter, Parteichef Kurt Beck, muss die unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der SPD zusammenbringen. Beim Hamburger Parteitag hatte die Mehrheit der Basis im vorigen Oktober für die Ausgabe von stimmrechtlosen Vorzugsaktien votiert - dies würde den Einstieg von Finanzinvestoren verhindern. Wie Finanzminister Peer Steinbrück unterstützt allerdings auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) das Holding-Modell. Für die Lösung dieses Problems wünschte Mehdorn dem SPD-Chef gestern süffisant "große Weisheit". Der Frage nach einem möglichen Amtsverzicht seinerseits für den Fall, dass die Bundesregierung doch noch komplett auf den Börsengang verzichtet, wich der Bahnmanager selbstbewusst aus: "Das tut sie nicht." Deshalb stelle sich auch diese Frage nicht.

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