Ein Abschied mit bitterem Beigeschmack

Berlin · Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, beteuert der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Wie viel Kraft ihn Mandat und Amt gekostet hätten, erklärt Christoph Strässer (SPD ) ausführlich in seinem Rücktrittsgesuch an Außenminister Frank-Walter Steinmeier . Doch offenbar kostet ihn auch die Asylpolitik der Regierung Kraft: Dem Asylpaket II, das heute abschließend im Bundestag beraten wird, will er offenbar nicht zustimmen.

Und für die Menschenrechte soll nun seine Nachfolgerin und Parteigenossin Bärbel Kofler sprechen. Gestern bestätigte das Kabinett die Ernennung der 48-Jährigen aus dem Wahlkreis Traunstein.

Der Jurist Strässer sitzt seit 2002 im Bundestag, die Menschenrechtspolitik wurde für ihn früh zum Schwerpunktthema. In seiner Zeit als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung machte sich der Wahl-Münsteraner vielfach für die Freilassung inhaftierter Aktivisten stark, etwa im Iran oder in Saudi-Arabien. Strässer habe den Menschenrechten eine wahrnehmbare Stimme verliehen, betonte Außenminister Steinmeier.

Doch Rücktritt und Neubesetzung kommen just in einer Woche, in der Amnesty International auch Deutschland ein schlechtes Menschenrechtszeugnis ausstellt. Im Fokus steht dabei das geplante Asylpaket II. Genau das sieht offenbar auch Strässer kritisch. In einem Schreiben an die SPD-Mitglieder in seinem Wahlkreis nannte er die aktuelle Flüchtlingspolitik der Regierung als einen Grund für den Rückzug. Anstehende Entscheidungen seien "nur schwer vereinbar mit meinen eigenen Positionen und meiner eigenen Glaubwürdigkeit", heißt es in dem Brief.

Strässer hatte in den vergangenen Jahren immer wieder auf vergessene Krisen hingewiesen. Kritisch sah er Überlegungen wie die Einrichtung von Schutzzonen in Afghanistan. Es sei eine "absurde Idee, von innerstaatlichen Fluchtalternativen auszugehen", erklärte er noch Ende Dezember. Gestern nun meldete das Bundesinnenministerium, die ersten 125 ausreisepflichtigen Afghanen seien in ihre Heimat zurückgebracht worden.

Die Rolle des Menschenrechtsbeauftragten ist erkennbar keine einfache. Zwar ist er formal unabhängig. Doch sein Tätigkeitsfeld beschränkt sich darauf, Missstände in anderen Staaten anzuprangern - in der Hoffnung, dass es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Strässer selbst erklärte diese Woche, die Neigung, das Amt als eine Art Alibi-Rolle zu sehen, sei "vielfach spürbar". Er könne "nur dazu raten, gegen diese Tendenz anzukämpfen". Denn für die Zivilgesellschaften anderer Länder, die in ihrer Arbeit immer stärker eingeschränkt würden, sei diese Stimme aus Deutschland besonders wichtig.

Der neuen Amtsinhaberin Bärbel Kofler gibt Strässer denn auch einen ernsten Satz mit auf dem Weg. Er wünsche ihr wie allen seinen Nachfolgern, dass sie als Menschenrechtsbeauftragte Rückgrat zeigten - "auch wenn es manchmal wehtut", erklärte der 66-Jährige zum Abschied.

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