Die neue Nato ist eine Herausforderung für China

Lissabon. Fast schon bescheiden sprach die Nato beim Gipfel-Treffen in Lissabon stets nur von einer "neuen Strategie". Russland dagegen wollte eine europäische "Sicherheitsarchitektur"

Lissabon. Fast schon bescheiden sprach die Nato beim Gipfel-Treffen in Lissabon stets nur von einer "neuen Strategie". Russland dagegen wollte eine europäische "Sicherheitsarchitektur". Tatsächlich haben die frisch gebackenen Partner zwei Jahre nach dem Zerwürfnis über den Georgien-Krieg das globale Koordinatensystem am Wochenende mehr verändert, als die Beschlüsse von Lissabon vermuten lassen. Denn die Neuordnung der Allianz berührt nicht nur die, die dabei sind, sondern auch die, die weiter vor den Türen stehen. Spätestens jetzt müssen sich die aufstrebenden Staaten Indien, Brasilien, der arabische Raum, aber vor allem China fragen, wo und wie sie diesem Staatenblock begegnen wollen. Der hat ein zwar unausgesprochenes, aber klares Feindbild. Seine Feinde sind Pekings Freunde - Nordkorea und Iran, Syrien, Sudan, aber auch Myanmar. Nachdem Russland sich nun an die westliche Allianz angelehnt hat, verlaufen die Fronten anders: Nicht nur China wird sich mit seinem gewaltigen Hunger nach immer neuen Märkten sagen müssen, auf welcher Seite es steht.Egal wie die Antwort ausfällt, sie kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Natürlich schließen sich ökonomische Konkurrenz und funktionierende Partnerschaft nicht aus. Aber um zu denen gezählt zu werden, die "gleiche Ziele und gleiche Werte" haben, sind Korrekturen erforderlich - bei den Menschenrechte, bei den bürgerlichen Freiheiten, sogar bei der Rolle von Partei und Staat. Und letztlich auch beim Umgang mit jenen, die Terroristen unterstützen und zumindest den Eindruck atomarer Aufrüstung nicht aus der Welt räumen. Und das betrifft nicht nur China.Gewalt als politisches Mittel, da hat die Nato Recht, ist nicht ausgerottet - bei aller historischen Dimension, die dieser Gipfel als Schlussstrich unter den Kalten Krieg hat. Das Bündnis (und hoffentlich mit ihm auch Russland) vollzieht nicht nur einen Strategie-, sondern auch einen Kurswechsel, der die Absage an militärische Interventionen à la Afghanistan (oder Kaukasus) beinhaltet. Die künftige Rolle als friedenssichernde Allianz beinhaltet den Auftrag an die Politik, Konflikte mit anderen Mitteln zu lösen. Darin liegt das eigentliche Versprechen dieses Treffens - auch im Hinblick auf den Nahen Osten, auf den Iran, auf andere Konfliktregionen. Damit dies machtvoll gelingen kann, braucht man China, Indien, sogar die starken Länder Südamerikas. Der Nato-Gipfel bedeutet viel, bewirken kann er aber nur dann etwas, wenn er auch zur Initialzündung für eine weitergehende Änderung der eigenen Politik und der weiterer Partner wird. Deutschland hat da alle Hände voll zu tun, weil es eben nicht nur geographisch an einer Schnittstelle liegt. Die Kontakte nach West und Ost sowie Fernost werden mehr gebraucht denn je, um die neue Sicherheitsarchitektur nicht nur auf Europa zu beschränken. Denn das wäre auf Dauer zu wenig. Die Paketbomben aus dem Jemen zeigen ebenso wie der heraufziehende Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China, wo man sich zwar einen Wettbewerb liefern, aber keinen zerstörerischen Wettkampf erlauben darf. Die Sicherheit für alle, von der in Lissabon so viel die Rede war, gibt es nicht aufgrund eines Raketenschirms, sondern dadurch, dass man auch andere mit dem Durchbruch ansteckt, den das Bündnis eingeleitet hat.

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