Die Nato nicht neu erfinden

Meinung · Afghanistan passt nicht ins Bild. Auf dem Weg zum globalen Friedensengel stört die traurige Bilanz der Nato am Hindukusch. 2010 wird, das steht schon fest, zum blutigsten Jahr seit der Vertreibung der Taliban. 650 gefallene westliche Soldaten und über 2500 getötete Zivilisten bei unvermindertem Widerstand derer, die man längst besiegen wollte

Afghanistan passt nicht ins Bild. Auf dem Weg zum globalen Friedensengel stört die traurige Bilanz der Nato am Hindukusch. 2010 wird, das steht schon fest, zum blutigsten Jahr seit der Vertreibung der Taliban. 650 gefallene westliche Soldaten und über 2500 getötete Zivilisten bei unvermindertem Widerstand derer, die man längst besiegen wollte. Längst nehmen die Zweifel, ob man das Land wirklich geordnet seinen Einwohnern übergeben kann, zu. Dabei muss sich die Allianz darüber im Klaren sein: Sollte man wirklich unverrichteter Dinge abziehen, erleidet die Glaubwürdigkeit des Bündnisses schweren Schaden - auch die neue Strategie, die sie sich jetzt in Lissabon verordnet hat. Am Hindukusch zeigt sich schon jetzt das Defizit der neuen Strategie. Das Bündnis bleibt eine militärische Allianz, der die politische Bodenhaftung fehlt. Als Instrument der Vereinten Nationen mag es seinen Platz haben, wo Aufständische getrennt oder Rebellen in Schach gehalten werden müssen. Aber solange die diplomatischen Fäden in den Händen anderer wie UN oder gar EU liegen, bleibt den Generälen vor Ort stets nur der Versuch, Konflikte niederzuschlagen, die man eigentlich lösen müsste. Besonnene Militärs, wie der heutige Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones (früher immerhin Nato-Oberbefehlshaber), haben darauf oft hingewiesen, ohne ein Echo zu bekommen. Raketenabwehr, Kompetenzzentren gegen Anschläge aus dem Internet oder Schutz der Energieversorgung sind zweifellos sehr richtige Ziele. Die Mission Atalanta vor der Küste Somalias zeigt ebenso wie die Hilfe für Erdbebenopfer in Pakistan, dass ein Militärbündnis auch in zivilen Bereichen sinnvoll sein kann. Dennoch bleibt die Nato auch hier Erfüllungsgehilfe ohne politisches Gewicht.Der Ansatz von Lissabon, die Allianz aus der Nachkriegs-Ära zu befreien, ist zwar richtig. Das Bündnis kann sich aber keinen Bruch mit der Vergangenheit leisten. Die Feinde von einst mögen die Partner von heute sein. Die Bedrohungen sind aber kaum kleiner geworden. Der Raketenschirm, dem Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit Recht so lange misstraut, bis er funktioniert, ist deshalb nötig. Genauso wie die atomare Bewaffnung - zumindest bis alle ihre Kernwaffen zerstören. Insofern steckt das Bündnis in dem Dilemma, mit seiner neuen Strategie ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen, ohne die alten wirklich beenden zu können. Das macht es auch so schwer, der Nato ihre neuen, rein defensiven Absichten zu glauben. So lange Sicherheit brüchig ist, muss die neue Nato immer auch ein Stück die alte bleiben.

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