Zeitenwende bei der NatoBundeswehrverband: Streitkräfte-Reform an Nato-Strategie ausrichten

Lissabon. Neun Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September wappnet sich die Nato gegen die Gefahren des Terrorismus. Doch die Verabschiedung der neuen politischen Strategie ist nicht die einzige historische Weichenstellung, die sich die "Chefs" der 28 Mitgliedsländer bei ihrem Gipfel in Lissabon vorgenommen haben

Lissabon. Neun Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September wappnet sich die Nato gegen die Gefahren des Terrorismus. Doch die Verabschiedung der neuen politischen Strategie ist nicht die einzige historische Weichenstellung, die sich die "Chefs" der 28 Mitgliedsländer bei ihrem Gipfel in Lissabon vorgenommen haben. Sie fassen auch den Rückzug aus Afghanistan ins Auge und beschließen eine Raketenabwehr für Europa. "Wir werden die Allianz für das 21. Jahrhundert fit machen", sagte US-Präsident Barack Obama zum Auftakt der zweitägigen Versammlung. "Wir werden moderne Fähigkeiten entwickeln, um uns gegen moderne Bedrohungen zu verteidigen", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto: dpa). "Wir machen einen Neuanfang in unseren Beziehungen mit Russland und wollen eine strategische Partnerschaft."

Die Nato will Kreml-Chef Dmitri Medwedew an diesem Samstag anbieten, bei der neuen Raketenabwehr zusammenzuarbeiten. Diplomaten und Militärs sprechen von einem neuen "Sicherheitssystem von Vancouver bis Wladiwostok". Die Beziehungen der Nato zu Moskau waren seit dem russischen Feldzug in Georgien 2008 belastet. Zunächst wollten sich die "Chefs" auf die neue Raketenabwehr einigen. Damit soll Europa vor Angriffen von Raketen aus Ländern wie dem Iran geschützt werden. "Das ist eine Entscheidung, die eine gemeinsame euro-atlantische Sicherheitsarchitektur schaffen könnte", sagte Rasmussen.

In letzter Minute schafften es Deutschland und Frankreich, einen Streit über die strategische Ausrichtung des Raketenschirms beizulegen. Berlin und Paris einigten auf Wunsch Frankreichs darauf, dass die Raketenabwehr nicht ausdrücklich als Chance für die nukleare Abrüstung verstanden wird. Berlin konnte aber durchsetzen, dass es einen Hinweis auf Abrüstungsmöglichkeiten gibt.

Die neue Militärstrategie ersetzt ein elf Jahre altes Dokument. Die Nato bleibt aber auch in der neuen Version ihrer Beistandspflicht treu: Ein Angriff gegen ein Mitglied ist ein Angriff gegen alle. Obama sprach zwar vor dem Gipfel erneut vom Fernziel einer Welt ohne Atomwaffen. Er betonte aber: "Solange solche Waffen fortbestehen, muss die Nato eine atomare Allianz bleiben."

Beim Thema Afghanistan-Krieg wollte der Gipfel die Weichen für einen schrittweisen Abzug der Isaf-Truppen stellen. Mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände soll bereits Anfang 2011 begonnen werden, der Prozess bis Ende 2014 abgeschlossen sein. "Die Afghanen werden aufstehen und die Dinge selbst in die Hand nehmen, aber sie werden nicht alleine sein", schrieb Obama in einem Zeitungsbeitrag. dpa

Saarbrücken. Der Bundeswehrverband hat davor gewarnt, die Streitkräfte bei ihrer Reform nur an den Bedingungen des Afghanistan-Einsatzes auszurichten. Dann bestehe die Gefahr, dass man sich auf Fähigkeiten konzentriere, die später nicht mehr benötigt würden, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch unter Hinweis auf die Nato-Strategie. Bei einem Vortrag in der Stiftung "Villa Lessing" warnte der Oberst etwa vor einem zu starken Abbau der Panzertruppe. Als Beispiele für künftige Herausforderungen nannte er die Sicherung von Seewegen und Computer-Kriege. "Blaupause" der aktuellen Reform sei aber Afghanistan. Eine Debatte über künftige Szenarien habe der Bundestag bis heute nicht geführt. "Der Auftraggeber kommt seiner Aufgabe in keinster Weise nach", so Kirsch. kir

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