Koalitions-Streit bremst Datenspeicherung auf Vorrat

Berlin/Hamburg. Die Warnung vor möglichen Terror-Anschlägen in Deutschland hat auch den Streit um die vom Bundesverfassungsgericht im März gekippte Vorratsdatenspeicherung neu entfacht. Die Innenminister von Bund und Ländern forderten jetzt eine schnelle Wiedereinführung dieser Möglichkeit für den Kampf gegen Terrorismus und schwerste Kriminalität

Berlin/Hamburg. Die Warnung vor möglichen Terror-Anschlägen in Deutschland hat auch den Streit um die vom Bundesverfassungsgericht im März gekippte Vorratsdatenspeicherung neu entfacht. Die Innenminister von Bund und Ländern forderten jetzt eine schnelle Wiedereinführung dieser Möglichkeit für den Kampf gegen Terrorismus und schwerste Kriminalität. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt dies ab. Der FDP-Rechtsexperte und Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, nannte die Vorratsdatenspeicherung ungeeignet zur Terrorbekämpfung.Das einstige deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung trat im Januar 2008 in Kraft und verpflichtete Telekommunikations-Unternehmen, alle Verbindungsdaten von Telefon oder Internet sechs Monate lang zu speichern. Festgehalten wurden Rufnummer, Uhrzeit und Datum einer Verbindung, bei Handys auch der Standort zu Gesprächsbeginn. Verbindungsdaten zu SMS, Internet-Nutzung und E-Mails wurden ebenfalls gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaften hatten darauf nach richterlicher Erlaubnis Zugriff, um konkrete Straftaten aufzuklären oder erhebliche Gefahren abzuwehren. Im Bedarfsfall konnten die Daten auch an Verfassungsschutzbehörden, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst abgegeben werden.Der Karlsruher Entscheidung zufolge war die anlasslose Speicherung für sechs Monate aber ein "besonders schwerer Eingriff in das Fernmeldegeheimnis", weil die Daten unter anderem inhaltliche Rückschlüsse "bis in die Intimsphäre" ermöglichten und Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden konnten. Die Richter erkannten aber auch an, dass die Verbindungsdaten "für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung" sind. Selbst eine Vorratsdatenspeicherung sei möglich, heißt es in dem Urteil. Die dafür aufgestellten Hürden sind allerdings hoch: So dürfen die Daten "nicht direkt durch den Staat" gespeichert werden, sondern müssen bei den privaten Dienstanbietern bleiben. Strafverfolger dürfen die Daten aber nur bei einem "begründeten Verdacht einer im Einzelfall schwerwiegenden Straftat" und nur mit Erlaubnis eines Richters abrufen. Selbst die Nachrichtendienste dürfen auf die Daten nur zugreifen, wenn eine konkret belegbare Gefahr wie etwa die eines terroristischen Anschlags droht.Diese Vorgaben wurden vom Gesetzgeber wegen des Streits in der Koalition bislang aber nicht umgesetzt. Das Justizministerium von Leutheusser-Schnarrenberger arbeitet nur daran, eine "anlassbezogene Nutzung" von Telekommunikationsdaten zu ermöglichen. Durch das sogenannte "Schockfrosten" sollen Daten vorübergehend für die Strafverfolgung gesichert werden, indem deren routinemäßige Löschung unterbunden wird. Liegt ein entsprechender Beschluss vor, werden die Daten "aufgetaut" und den Strafverfolgern zur Verfügung gestellt. Die Innenminister forderten Leutheusser-Schnarrenberger dagegen auf, schnell einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einer "Schutzlücke". Experten sehen die Datenspeicherung aber skeptisch. Arglistige Menschen mit entsprechenden technischen Kenntnissen könnten sich der Überwachung entziehen.

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