Berlusconi steht vor einem Sturz auf Raten

Rom. Er liebt die feuchtfröhlichen Partys mit attraktiven jungen Frauen, der Milliardär aus Mailand. Auch das Bad in der Menge machte ihm immer Spaß, und man kannte ihn als agilen Kommunikator mit einem merkwürdigen Hang zu verbalen Entgleisungen. Doch in der Regierungskrise Italiens wird es jetzt einsam um Silvio Berlusconi

Rom. Er liebt die feuchtfröhlichen Partys mit attraktiven jungen Frauen, der Milliardär aus Mailand. Auch das Bad in der Menge machte ihm immer Spaß, und man kannte ihn als agilen Kommunikator mit einem merkwürdigen Hang zu verbalen Entgleisungen. Doch in der Regierungskrise Italiens wird es jetzt einsam um Silvio Berlusconi. Der 74-jährige Ministerpräsident sieht einem Sturz auf Raten entgegen. Die nächsten Kapitel dafür werden dieser Tage in den Hinterzimmern des Parlaments in Rom geschrieben. Denn der Cavaliere will nicht zurücktreten. "Besser ein Bürgerkrieg", soll der Mann gesagt haben, dem es nie an Selbstvertrauen fehlte. Nach dem G 20-Gipfel in Seoul betrat Berlusconi den politischen Dschungel in Rom just an dem Tag wieder, an dem die Opposition seinem Widersacher, dem Kammerpräsidenten Gianfranco Fini, ihren Misstrauensantrag gegen die Regierung aufs Pult legte. Berlusconi dreht den Spieß nun um: Sofort nach der Verabschiedung des derzeit im Parlament diskutierten Haushalts- und Stabilitätsgesetzes will er im Senat eine politische Erklärung abgeben und in beiden Kammern die Vertrauensfrage stellen. Das kann nur heißen: Kein Schritt zurück. Ende September hatte er ein solches Votum noch einmal gewonnen. Der einstige Postfaschist Fini, langjähriger Weggefährte Berlusconis und ein Mann mit Ambitionen, will das Duell mit dem Regierungschef, will es aber natürlich auch nicht verlieren. Der Präsident des Abgeordnetenhauses hätte es also vorgezogen, dass der Mann, der ihn einst aus der rechten Ecke geholt hatte, von sich aus das Handtuch wirft. Doch diesen Gefallen tut Berlusconi ihm nicht. Finis neue Gruppe "Zukunft und Freiheit für Italien" kann nach Umfragen mit acht Prozent der Stimmen rechnen und ist im Aufwind. Also zieht Fini die Schlinge um den Hals des Regierungschefs enger: Heute sollen seine Leute aus Berlusconis Mitte-Rechts-Regierung ausscheren. Der Schritt muss Berlusconi nicht kratzen. Besorgter dürfte es ihn machen, dass in seinem Lager über die Zeit nach ihm nachgedacht wird. Was jetzt ausgelotet und verhandelt wird, könnte auf vier Szenarien hinauslaufen. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat bei den Weichenstellungen ein Wort mitzureden. Der Premier, der ohne Finis Leute keine gesicherte Mehrheit mehr im Parlament hat, kann immer noch von sich aus das Handtuch werfen - um dann in einer erweiterten Regierung zusammen etwa mit der Zentrumspartei UDC doch wieder eingesetzt zu werden. Oder aber, und dieses dürfte Fini eher vorschweben, ein neuer Kopf bildet nach Berlusconis Demission eine breitere Koalition. Für diesen Job fällt auch der Name von Berlusconis langjährigem Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti. Als dritte Variante könnte für dringende Reformen eine Art Übergangsregierung der nationalen Einheit gebildet werden - eingeschlossen auch Finis neue Truppe und die größte Oppositionspartei PD (Demokratische Partei). Neuwahlen etwa im März wären Option Nummer vier: Die Regierung tritt zurück oder ihr wird das Misstrauen ausgesprochen, sie bleibt aber bis zu diesem Urnengang noch im Amt. Dieser Weg kann vielen nicht gefallen. Die Opposition muss sich erst noch zusammenraufen. Und Finis neue Partei ist noch im Aufbau. Aber auch Berlusconis Lager selbst muss befürchten, dass sich der massive Imageverfall seines Chefs dramatisch niederschlägt.

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