Berlin will oberste Richter mit Offenheit besänftigen

Berlin. Peter Gauweiler will reden

Berlin. Peter Gauweiler will reden. Der Rebell packte dem Vernehmen nach am Montag in der CSU-Landesgruppe die Gelegenheit beim Schopfe, die die Fraktionsspitze den Euro-Abweichlern jetzt einräumen will: Einige der Kritiker des Rettungskurses der Regierung sollen vor den Abstimmungen am Freitag über den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM im Bundestag zu Wort kommen dürfen. Also hob Gauweiler schon mal den Finger. Bei Union und FDP ist man hochgradig nervös, denn diese Woche wird als "historisch" eingestuft. Deshalb will man den eigenen Euro-Rebellen durch Umarmung die Luft nehmen.Freilich sind das ganz neue Sitten in der Koalition. Über Norbert Lammert (CDU) war man im September noch geschlossen hergefallen, als der Bundestagspräsident bei der Abstimmung über den erweiterten Rettungsfonds EFSF Abweichlern eigenmächtig Rederecht erteilt hatte. Jetzt heißt es, es gehe um "grundsätzliche Positionen einiger Kollegen", also sei es richtig, ihnen "in so einer wichtigen Debatte die Möglichkeit zu geben, ihre Bedenken vorzutragen", so Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Manch einer in Berlin vermutet hinter der neuen Großzügigkeit aber etwas ganz anderes - nämlich einen Versuch, das Bundesverfassungsgericht vorab zu besänftigen.

Gauweiler sowie unter anderem die Linksfraktion hatten bereits angekündigt, dass sie separat voneinander gegen den Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt klagen wollen. Die Bundesregierung hatte daraufhin mitgeteilt, dass sie wie beim Fiskalpakt auch für den ESM mit Hilfe der Opposition eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat anstrebe. Ebenso in der Hoffnung, Karlsruhe damit die Suche nach verfassungsrechtlichen Risiken zu erschweren. Ob das gelingen wird, ist offen. In den Fraktionssitzungen wurden die Abgeordneten beider Lager darauf eingeschworen, die Bedeutung der Zweidrittel-Mehrheit nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird denn auch gleich zwei Regierungserklärungen abgeben. Die Kanzlerin will auch das als Signal an das Verfassungsgericht verstanden wissen, dass man das Parlament wie von Karlsruhe erwartet einbindet. Die erste Erklärung ist heute, bevor sie nach Paris zu Gesprächen mit dem französischen Präsidenten François Hollande und dann zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nach Brüssel reist. Nach ihrer Rückkehr wird die Kanzlerin dem Bundestag am Freitagnachmittag erneut berichten. Anschließend debattiert das Parlament, für 20 Uhr sind die wichtigen Voten zum Fiskalpakt und zum ESM vorgesehen. Gegen 21 Uhr tritt der Bundesrat zur Abstimmung zusammen. In Kraft treten wie ursprünglich geplant zum 1. Juli werden die Gesetzespakete aber nicht. Denn Bundespräsident Joachim Gauck will mit seiner Unterschrift warten, bis das Verfassungsgericht über die Klagen entschieden hat.

Das war es aber noch nicht in Sachen Euro: In der Sommerpause steht wohl noch eine Sondersitzung des Bundestages an, um Finanzhilfen für Spanien und eventuell für Zypern zu bewilligen. Schon jetzt ist absehbar, dass bei den Debatten im Parlament auch das Thema Volksabstimmung eine Rolle spielen wird. Die hat das Verfassungsgericht bei weiteren Integrationsschritten der EU ins Spiel gebracht.

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