Nervosität um den ESM steigt

Berlin/Karlsruhe. Einen Tag vor dem geplanten Urteil zum Euro-Rettungsschirm ESM will das Bundesverfassungsgericht heute eine wichtige Zwischenentscheidung bekanntgeben. Dabei geht es um den jüngsten Eilantrag der ESM-Gegner

Berlin/Karlsruhe. Einen Tag vor dem geplanten Urteil zum Euro-Rettungsschirm ESM will das Bundesverfassungsgericht heute eine wichtige Zwischenentscheidung bekanntgeben. Dabei geht es um den jüngsten Eilantrag der ESM-Gegner. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler will den Rettungsschirm stoppen, bis die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Beschluss über den Ankauf von Staatsanleihen rückgängig macht. Notfalls solle das Gericht die für Mittwoch geplante Verkündung der Entscheidung zum Rettungsschirm verschieben, fordert Gauweiler.Der Beschluss der EZB, unter bestimmten Bedingungen unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen, habe eine "völlig neue Situation" geschaffen, argumentiert Gauweiler. Deutschland müsse für Verluste aus den Anleihekäufen letztlich mit einem Anteil von 27 Prozent einstehen. Dies führe zu zusätzlichen Belastungen ohne jede parlamentarische Kontrolle.

CSU-Generalsekretär Dobrindt begrüßte den neuen Eilantrag seines Parteifreunds Gauweiler. "Ich habe große Sympathie dafür", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Dobrindt erneuerte seine Kritik am Beschluss der EZB, unter bestimmten Voraussetzungen unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. Die Entscheidung aus der Vorwoche sei "falsch und brandgefährlich". CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte Dobrindts Zuspruch für Gauweiler. Gröhe sagte: "Jeder wäge seine Worte." Linken-Fraktionschef Gregor Gysi stellte sich hinter den Gauweiler-Antrag.

Die Bundesregierung hofft weiter auf grünes Licht für den ESM. Die Bundesregierung sei weiter von der Verfassungsmäßigkeit des ESM überzeugt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "In der Sache hat sich nichts geändert."

Unterdessen verlangte die bayerische Staatsregierung ein klares Signal der Bundesregierung zur künftigen Rolle der EZB. Der EZB-Beschluss zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen aus Euro-Krisenländern stelle einen unvertretbaren Paradigmenwechsel und einen Dammbruch dar, erklärten Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und Finanzminister Markus Söder (CSU). Die Bundesregierung müsse nun sicherstellen, dass die bisherigen Grundprinzipien der Euro-Hilfe eingehalten würden. Als letztes Mittel dürfe auch eine Klage Berlins vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht ausgeschlossen werden.

Die Eurozone rechnet mit der Einrichtung des neues ständigen Rettungsfonds ESM für klamme Mitgliedstaaten im Oktober. In Brüssel werde erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Rettungsschirm an diesem Mittwoch im Grundsatz billigen werde, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Das nächste reguläre Treffen der Euro-Finanzminister am 8. Oktober in Luxemburg könnte ein Termin sein, um den Fonds offiziell aus der Taufe zu heben - sicher sei dies aber noch nicht. dpa

Hintergrund

Der umstrittene Euro-Rettungsschirm ESM ist einer Studie des Berliner Europarechtsexperten Christian Calliess zufolge nicht verfassungswidrig. Im Vergleich zu bisherigen Regelungen habe der Bundestag sogar gesteigerte Mitwirkungsrechte, heißt es in der von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Untersuchung. Gegen den Willen des Bundestages könne der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) keine Beschlüsse fassen. Die Begleitgesetze des Bundestags stellten sicher, dass wesentliche Entscheidungen in den Organen des ESM nicht ohne vorherige Zustimmung des Bundestages getroffen werden können. Bei anderen EU-Angelegenheiten würden dem Parlament stärkere Fesseln angelegt. Fazit der Studie: "Der ESM ist nach demokratischen und rechtlichen Gesichtspunkten solide gebaut." dpa

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