Euro-Rettung auf Kosten der Demokratie?

Heute und morgen befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob der Krisenkurs der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtmäßig ist. Die Hintergründe der Verhandlung stellen dpa-Mitarbeiter Jörn Bender und Diana Niedernhöfer in Frage-Antwort-Form dar:

Worum geht es in Karlsruhe?

Bereits im September befasste sich Deutschlands höchstes Gericht mit der Rettungspolitik: In Karlsruhe lagen Eilanträge gegen Bundestagsbeschlüsse vor. Es ging um den dauerhaften Rettungsschirm ESM und die Einführung europäischer Schuldenbremsen per Fiskalpakt. Das Gericht machte den Weg für den deutschen Beitrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) frei, wenn auch unter Bedingungen: Das deutsche Haftungsrisiko dürfe nicht automatisch über die ausgehandelten 190 Milliarden Euro steigen. Bei jeder Änderung müsse der Bundestag gefragt werden.



Was hat die Geldpolitik der EZB damit zu tun?

Kritiker wie der CSU-Politiker Peter Gauweiler hatten gefordert, den ESM zu stoppen, bis die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Beschluss über den Kauf von Staatsanleihen rückgängig gemacht habe. Das lehnte das Gericht ab. Es behielt sich aber vor, im Hauptsacheverfahren zu prüfen, ob die EZB ihre Kompetenzen überschritten hat. Die Richter betonten, sie hielten den Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt - also etwa von Banken - durch die EZB für unzulässig, wenn dadurch Krisenstaaten unabhängig von den Kapitalmärkten finanziert werden sollten.



Welche Instrumente der EZB sind umstritten?

Vor allem der Kauf von Staatsanleihen. Im Mai 2010, als Griechenland erstmals am Abgrund stand, legten die Währungshüter gegen deutschen Widerstand ein Programm zum Kauf von Bonds auf. Die EZB wurde zu einem der größten Gläubiger Athens. Dazu kamen Staatspapiere von Italien, Spanien, Portugal und Irland.



Wie sieht der EZB-Kurs seitdem aus?

Seit März 2012 ruhte das Aufkaufprogramm. Im September ersetzte es die EZB durch ein neues Programm (Outright Monetary Transactions/OMT): Die Währungshüter kündigten an, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen - unter der Bedingung, dass die betreffenden Staaten zuvor einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds stellen und sich politischen Reformvorgaben unterwerfen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stimmte als Einziger im EZB-Rat dagegen. Dass die Ankündigung des Programms die Märkte beruhigte, geben sogar Kritiker zu. Anleihen gekauft hat die EZB über das neue Programm bisher nicht.



Was kritisiert die Bundesbank?

Aus Sicht der Bundesbank finanziert die EZB über Anleihenkäufe letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Die EZB gefährde die Unabhängigkeit der Geldpolitik: Denn je mehr Staatsanleihen die Notenbank in ihre Bilanz nimmt, umso stärker macht sie sich vom jeweiligen Staat abhängig. Beim OMT-Programm hat die Bundesbank Zweifel, dass die Bedingungen im Ernstfall eingehalten werden. Letztlich verließen sich die Regierungen auf die Notenbank, statt Reformen voranzutreiben .



Worüber entscheidet Karlsruhe?

Die Bundesbank warnt in ihrer Stellungnahme für die Verhandlung: "Befindet sich die Geldpolitik erst einmal auf einem derartigen abschüssigen Kurs, ist eine Umkehr nur schwer und unter großen Kosten möglich." Und solche Kosten müssten am Ende die Steuerzahler tragen - vor allem in Deutschland, denn Deutschland ist über die Bundesbank größter EZB-Anteilseigner. Die EZB schafft also Fakten über Milliardenrisiken, ohne dass demokratisch gewählte Parlamente eingebunden wurden. An diesem Punkt könnte deutsches Recht verletzt sein, weil die Verlustrisiken von Anleihenkäufen die Budgethoheit des Bundestages aushebeln könnten. Der Bundesbank könnte also untersagt werden, sich an für verfassungswidrig befundenen Aktionen zu beteiligen.



Kann das Bundesverfassungsgericht die EZB stoppen?

Das höchste deutsche Gericht kann die EU-Institution EZB nicht in die Schranken weisen: Das Bundesverfassungsgericht müsste den Fall dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorlegen.

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