Nach der Türtung Soleimanis US-Chaos-Strategie und deutsche Verantwortung

Was die USA im Irak betreiben ist eine Chaos-Strategie, schon seit 2003 mit dem Krieg gegen den damaligen Diktator Saddam Hussein. Amerika hat am Golf einen gescheiterten Staat geschaffen, in dem sich erst der IS breit machte und jetzt Teheran.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: SZ/Robby Lorenz

Die US-Raketen gegen Al-Kuds-Chef Soleimani haben zwar keinen Unschuldigen getroffen. Aber sie verschärfen das Chaos noch weiter. Wieder lässt sich das Weiße Haus von kurzfristigen Wahlkampfinteressen und einer noch aus Zeiten der Botschaftsbesetzung stammenden Urfeindschaft gegen den Iran leiten. Und von seinen falschen Freunden in Riad.

Washington handelt in dieser Region komplett auf eigene Faust. Und ohne Weitsicht. Deutschland hat das 2003 nicht mitgemacht und sollte das auch jetzt nicht tun. Wenn es einen iranischen Gegenschlag und in der Folge einen amerikanisch-iranischen Krieg geben sollte, kann Donald Trump jedenfalls nicht Artikel 5 des Nato-Vertrages bemühen, die Beistandspflicht. Das wäre allein sein Krieg.

Schon vor den aktuellen militärischen Scharmützeln hatten die USA mit der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens und der Verhängung von harten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran mutwillig eine politische Eskalation heraufbeschworen. Das zerstörte die gemeinsamen Bemühungen des Westens, Teheran in eine internationale Ordnung einzubinden. Und es zerstörte alle Hoffnungen der jungen Iraner, jemals in einem modernen Land zu leben. Mit den Raketen in Bagdad erzeugt Trump jetzt auch noch Solidarität mit den Mullahs, und das kurz nach heftigen Massenprotesten. Kurzsichtiger geht es kaum.

Es ist wahr, dass der Iran sich im Schatten des Atomabkommens im ganzen Nahen Osten breit gemacht hat und Israel bedroht. Der ungute Einfluss des Mullah-Regimes weht über Libanon, Syrien und Irak. Aber dagegen gab es zuletzt vielerorts immer heftigere Demonstrationen. Stärkung der betroffenen Nationen wäre neben gemeinsamen diplomatischen Anstrengungen die adäquate Antwort gewesen. Im Irak ging es damit auch durchaus voran. Deutschland und weitere Staaten leisten hier einen konstruktiven Beitrag, indem sie bei der Ausbildung der Armee helfen.

Diese Mission ist nun aufgrund der angespannten Lage vorübergehend ausgesetzt. Das ist zum Schutz der Soldaten zwar verständlich. Es wäre aber falsch, diesen zarten Versuch der Staats-Bildung so schnell aufzugeben und die Bundeswehrangehörigen zurückzurufen, wie SPD-Chefin Saskia Esken andeutet und Linke und Grünen bereits fordern. So knüpft man mitnichten an Gerhard Schröders „Nein zum Irak-Krieg“ an, sondern überlässt im Gegenteil die Region und ihre Menschen komplett Mächten, die hier einen Stellvertreterkrieg führen wollen. Das ist nicht Friedenspolitik, sondern Flucht vor der Verantwortung.

Übrigens fiel der Beschluss zur Verlängerung der Irak-Mission im Bundestag erst am 24. Oktober 2019, vor nicht einmal zweieinhalb Monaten. Und zwar in namentlicher Abstimmung. Auch Saskia Esken stimmte zu. Die Halbwertzeit ihrer Ansichten ist bestürzend kurz.

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