Feinschaft im Nahen Osten Der Krieg Iran gegen Israel ist schon im Gange

Beirut/Tel Aviv · Iraks Schiitenmilizen müssen in dem Krisenland regelmäßig Opfer beklagen. Meistens steckt die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dahinter. Als jedoch vor einigen Tagen in einem Wüstenort weit im Westen des Landes ein Milizionär getötet wurde, soll ein ganz anderer Feind die Rakete mit Hilfe einer Drohne abgefeuert haben: Israels Armee.

Denn die Milizen gelten als verlängerter militärischer Arm des Iran.

Es war einer von mehreren Angriffen im Irak, für den angeblich der Hunderte Kilometer entfernte Gegner Teherans verantwortlich ist. Gleich vier Mal wurden seit Juli Waffenlager der bewaffneten Gruppen bombardiert. Jedes Mal richtete sich der Verdacht gegen Israel.

Die Angriffe verdeutlichen, dass der Krieg zwischen den Erzfeinden Israel und Iran längst begonnen hat, aber über Verbündete und in arabischen Nachbarländern ausgetragen wird. Israels Luftwaffe fliegt regelmäßig Einsätze in Syrien. So will sie die militärische Infrastruktur des Irans und seiner ihm ergebenen Truppen zerstören, die Teheran dort als Schutzmacht der Regierung aufbaut.

Und auch der Libanon ist einmal mehr Schauplatz des Konflikts. Am Sonntag stürzte über der Hauptstadt Beirut eine Drohne in der Nähe eines Büros der Iran-treuen Hisbollah-Miliz ab, eine zweite explodierte. Die Hisbollah sprach von einem israelischen „Bombenangriff“.

Stellvertreterkriege zwischen den beiden Erzrivalen sind nicht neu, aber sie haben zuletzt an Intensität zugenommen, wozu auch die scharfe Anti-Iran-Politik von US-Präsident Donald Trump beigetragen hat. Dahinter steckt eine jahrzehntealte Feindschaft. Der Iran erkennt Israel nicht an und sieht in dem Land seinen Erzfeind Nummer eins. Die Befreiung Palästinas von der „zionistischen Besatzungsmacht“ gehört zur außenpolitischen Doktrin.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wirft Teheran regelmäßig vor, sein Land zerstören zu wollen. Er ist auch einer der schärfsten Kritiker des internationalen Atomabkommens und will eine unnachgiebige Hand gegen den Iran.

Der hat seinen Einfluss in der arabischen Welt in den vergangenen Jahren massiv ausgedehnt. Er setzte dabei auf eine bewährte Strategie: Er kämpft nicht selbst – er lässt kämpfen. Als Schauplatz dienen dem Iran Länder mit geschwächten Regierungen, die nicht die volle Kontrolle über ihre Gebiete besitzen.

Die Teheran-treue Hisbollah etwa gilt als mächtigste Kraft im Libanon, als Herrscher eines Staates im Staat. In Syrien spielt der Iran als Schutzmacht für Baschar al-Assad und Förderer lokaler Milizen eine zentrale Rolle. Im Irak übt er nicht nur über die Schiitenmilizen, sondern auch über Verbündete in der Regierung starken Einfluss aus. Längst ist es Teheran gelungen, eine wichtige Landachse über den Irak und Syrien bis nach Beirut zu errichten, die auch für Waffentransporte dient.

„Israel hat entschieden, nicht dazusitzen und zuzuschauen, während die Bedrohung wächst“, sagt der israelische Analyst Assaf Orion vom Nationalen Institut für Sicherheitsstudien in Tel Aviv und sieht eine Wirkung der Angriffe vor allem in Syrien. Infolge des dortigen israelischen Drucks versuche der Iran seine Fabriken zur Herstellung von Präzisionsraketen in den Libanon zu verlegen und zugleich den Irak als Stützpunkt für einen Abschuss zu etablieren.

Es handelt sich um eine brenzlige Lage. Die angeblichen israelischen Angriffe setzen die ohnehin schwache Regierung des noch vom Kampf gegen den IS gebeutelten Iraks stark unter Druck zu reagieren. Zumindest Teile der Milizen wollen einen Gegenschlag, der sich auch gegen die US-Truppen richten könnte. Denkbar wäre auch eine weitere Eskalation zwischen der Hisbollah und Israel, die sich zuletzt im Libanonkrieg 2006 bekämpften.

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