Atom-Abkommen in Gefahr Iran macht Ernst

Teheran/Berlin · Das Atomabkommen mit Teheran sollte etwas Ordnung in das Chaos der Krisenregion Mittlerer Osten bringen. Der Versuch ist gescheitert. Keiner der Unterzeichner hält sich mehr an die Vereinbarung. Die Folgen könnten dramatisch sein.

 Ein iranischer Techniker arbeitet an einer Uran-Aufbereitungsanlage. Wenn das Land die Anreicherung weiter hochfährt, dann hat sich das Atom-Abkommen möglicherweise bald erledigt.

Ein iranischer Techniker arbeitet an einer Uran-Aufbereitungsanlage. Wenn das Land die Anreicherung weiter hochfährt, dann hat sich das Atom-Abkommen möglicherweise bald erledigt.

Foto: dpa/Vahid Salemi

Mehr als zwölf Jahre wurde über das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe verhandelt. Als es am 14. Juli 2015 unterzeichnet wurde, waren sich alle Beteiligten einig, dass es sich um einen historischen Schritt handelt. „Vielleicht setzen wir mit dieser Vereinbarung ein Signal der Hoffnung den Kräften des Chaos im Mittleren Osten entgegen“, kommentierte der damalige deutsche Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Unterzeichnungszeremonie.

Am kommenden Wochenende wird das Abkommen vier Jahre alt. Doch seit Sonntag ist es nur noch so viel wert wie das Papier, auf dem es steht. Die iranische Führung hat angekündigt, sich nicht mehr an die vorgegebene Grenze von 3,67 Prozent für die Urananreicherung zu halten und stößt damit eine tragende Säule des Deals um. Die USA sind schon vor mehr als einem Jahr ausgestiegen und haben damit den Niedergang eingeleitet. Die anderen fünf Vertragspartner – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland – vermochten es ohne die Amerikaner nicht, dem Iran die im Abkommen versprochenen wirtschaftlichen Vorteile zu bieten.

Das heißt: Seit Sonntag gibt es niemanden mehr, der sich an das Abkommen hält. Und nun? Haben die „Kräfte des Chaos“ jetzt wieder freien Lauf im Mittleren Osten? Noch nicht ganz. Bis zum endgültigen Aus der Vereinbarung gibt es noch eine letzte Frist. Sollte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA den Verstoß des Irans bestätigen, werden die Europäer aller Voraussicht nach ein Schlichtungsverfahren einleiten, das bis zu 65 Tage dauern kann. 35 Tage lang können sich die Vertragspartner untereinander auf verschiedenen Ebenen um eine Lösung bemühen. Gibt es kein Ergebnis, hat der UN-Sicherheitsrat weitere 30 Tage Zeit für die Schlichtung.

Bleibt es auch dann bei den Vertragsverletzungen, treten die UN-Sanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft. Die EU würde dann ihre Strafmaßnahmen ebenfalls wieder einsetzen. Damit hätte sich das Abkommen endgültig erledigt.

Für die europäische Diplomatie wäre das eine bittere Niederlage. Es hätte sich einmal mehr gezeigt, dass sie ohne die USA machtlos ist. US-Präsident Donald Trump hätte sich mit seinem Kurs des größtmöglichen Drucks auf den Iran durchgesetzt.

Um das zu verhindern, werden die Europäer nun noch einmal alles daran setzen, das Scheitern zu verhindern. Die Schlussoffensive startete am Samstagabend der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Telefonat mit seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani, das von iranischer Seite als konstruktiv beschrieben wurde. Dabei sei es vor allem um ein Außenministertreffen der sechs verbliebenen Vertragspartner gegangen, hieß es.

Die Frage ist nur: Welchen Trumpf haben die Europäer noch in der Tasche? Um die US-Sanktionen zu umgehen, haben sie in den vergangenen Wochen ein Zahlungssystem namens Instex aufgebaut, das aber immer noch nicht genutzt wird. Sollte es noch in Gang kommen, dürfte es dem Iran keine wirtschaftlichen Erleichterungen in dem Ausmaß bringen wie erhofft. Das Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Teheran schmerzt vor allem die Blockade iranischer Öl-Exporte durch die USA, gegen die die Europäer keine Handhabe haben.

Bundesaußenminister Heiko Maas musste deswegen schon vor vier Wochen bei seinem Besuch in Teheran eingestehen, dass die Europäer wirtschaftlich „keine Wunder bewirken“ können. Sie hoffen aber darauf, dass der Iran auch ein strategisches Interesse haben könnte, nicht alle Brücken nach Europa abzubrechen.

„Für die Rettung des Atomdeals gibt es nur einen Weg: sich an ihn zu halten“, hat Ruhani zwar als Devise ausgegeben. Es spricht aber einiges dafür, dass er eine Isolation seines Landes vermeiden will. „Wir sind konsequent..., aber auch flexibel“, sagt er. Sobald sich bei der Umsetzung des Atomabkommens etwas tun sollte, kehre der Iran „voll und ganz wieder zum Deal zurück“.

Es könnte also sein, dass auch Teheran zunächst auf Zeit spielt und es bei einer geringfügigen Überschreitung des Grenzwerts für die Urananreicherung belässt. Für den Bau einer Atombombe sind 90 Prozent nötig. Es ist ein gefährliches Spiel. Denn die Spannungen zwischen dem Iran und den USA haben sich bereits so weit hochgeschaukelt, dass es eine akute Kriegsgefahr gibt. Wie brenzlig die Lage ist, haben der Abschuss einer US-Drohne durch den Iran und die Angriffe auf Handelsschiffe im Persischen Golf gezeigt.

  Der iranische Präsident, Hassan Ruhani, greift durch. Um eine Eskalation des Atomstreits mit dem Land zu verhindern, ist nun die Diplomatie gefragt.

Der iranische Präsident, Hassan Ruhani, greift durch. Um eine Eskalation des Atomstreits mit dem Land zu verhindern, ist nun die Diplomatie gefragt.

Foto: dpa/Vahid Salemi

„Sie wissen, womit sie spielen, und ich denke, sie spielen mit Feuer“, hat US-Präsident Donald Trump kürzlich gesagt. Ihm wird allerdings nachgesagt, dass er vor allem aus wahltaktischen Gründen einen Krieg vermeiden will. Ein endgültiges Scheitern des Atomabkommens wäre aber ganz in seinem Sinne. Er setzt auf eine Neuverhandlung.

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