SPD bei Unternehemsteuer kompromissbereit Koalition – zu neuen Ufern statt in alte Schützegräben

So schnell ändern sich scheinbar die Zeiten. Wurde bis eben noch darüber orakelt, dass die Tage der großen Koalition wegen der radikaler tickenden neuen SPD-Führung gezählt seien, so wirkt diese neue Spitze nun auf einmal ziemlich geschmeidig: Saskia Esken kann sich „grundsätzlich“ für Verhandlungen über eine Senkung der Unternehmenssteuern erwärmen.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Damit stellt die linke Frontfrau der Genossen sogar noch ihren rechten Parteifreund und Finanzminister Olaf Scholz in den Schatten. Scholz hat dergleichen zumindest öffentlich bislang immer abgelehnt. Ob sich die sozialdemokratische Basis so den „Aufbruch in die neue Zeit“ vorgestellt hat, wie er von Esken noch Anfang Dezember auf dem SPD-Parteitag beschworen wurde? Schwer vorstellbar. Doch wenn es der SPD wirklich ernst damit ist, nicht mehr nur den alten Koalitionsvertrag abzuarbeiten, sondern neue Akzente zu setzen, dann wird sie auch Kröten schlucken müssen. Ohne Geben und Nehmen funktioniert kein Regierungsbündnis. Schon gar nicht, wenn es aus Partnern besteht, die längst dabei waren, sich auseinanderzuleben.

Es ist kein Geheimnis, dass die Union auf eine niedrigere Besteuerung für Unternehmen drängt. Als Stimulanz im Kampf gegen eine schwächelnde Konjunktur. Aber auch aus der Sorge heraus, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb das Nachsehen haben könnte. Verglichen mit den USA ist die Steuerbelastung deutscher Betriebe etwa doppelt so hoch. Und selbst im Kreise der EU-Staaten liegt Deutschland über dem Belastungsschnitt. Die letzte nennenswerte Reform auf diesem Gebiet ist ja auch schon mehr als ein Jahrzehnt her.

Dem Wunsch der Union steht freilich eine Fülle von Wünschen der SPD gegenüber. Angefangen von deutlich mehr öffentlichen Investitionen über eine Kindergrundsicherung bis hin zu einer umfassenden gebührenfreien Ausbildung. Und neuerdings will Olaf Scholz auch noch klamme Kommunen entschulden. Da stellt sich die Frage, wie das alles bezahlt werden soll. Zumal die Union das Fähnlein der „schwarzen Null“ weiter tapfer hochhält und eine Vermögensteuer vehement ablehnt. Erschwerend kommt hinzu, dass noch nicht einmal die bereits im Grundsatz beschlossene Grundrente finanziell in trockenen Tüchern ist. Scholz stellt dafür Milliardeneinnahmen aus der Finanztransaktionssteuer in Aussicht. Nur ist das bislang eine Luftbuchung, weil es diese Steuer noch gar nicht gibt. Und der Widerstand vieler EU-Länder gegen Scholzens Konzept weckt Zweifel, dass sie überhaupt jemals kommt.

So gesehen wird auch die große Koalition einen Verteilungskampf ausfechten müssen. Was ist machbar und was nicht. Im schlechtesten Fall könnten sich SPD und Union dabei wechselseitig blockieren. Der Aufbruch zu neuen Ufern würde dann schnell wieder in alten Schützengräben versanden. Eine Garantie, dass die amtierende GroKo wirklich bis zu ihrem regulären Verfallsdatum im Herbst 2021 hält, gibt es auch nach den geschmeidigen Tönen von Saskia Esken nicht.

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