Nach Wahl in Großbritannien Ernüchternder Erdrutschsieg für Boris Johnson

Boris Johnson hat die Konservativen im Königreich nicht nur einfach zu einer absoluten Mehrheit geführt. Es handelt sich um einen Erdrutschsieg für den Regierungschef, die größte Mehrheit der Tories seit Margaret Thatcher.

 Katrin Pribyl

Katrin Pribyl

Foto: SZ/Robby Lorenz

Das Resultat aber als ernüchternd zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Hier hat ein Mann gewonnen, der wiederholt seine Verachtung für die parlamentarische Demokratie demonstriert hat. Der wie ein Alleinherrscher die Abgeordneten in die Zwangspause schickte, um seinen Willen durchzusetzen. Der kritische Fraktionskollegen feuerte, weil diese unbequeme Wahrheiten aussprachen. Der sich während des Wahlkampfs weigerte, Details zu seinen Versprechen zu liefern und der sich der Auseinandersetzung mit kritischen Journalisten entzog. Stattdessen überwogen Halbwahrheiten, nicht selten durchsetzt mit dreisten Lügen, die der Polit-Showman unters Volk brachte, angefeuert von der mehrheitlich konservativen, EU-feindlichen Presse. Das Problem? Viele Wähler scheinen es Politikern keineswegs mehr übel zu nehmen, wenn diese das Volk betrügen. Im Gegenteil: Die Populisten werden mit Siegen belohnt. Dabei tragen sie die Verantwortung dafür, dass das Vertrauen in die politische Klasse so schwer gelitten hat, dass es etliche Menschen mittlerweile leider als Naturgesetz annehmen, von Volksvertretern betrogen zu werden.

Mit Johnsons Mehrheit steht fest: Der Brexit wird zum 31. Januar 2020 vollzogen. Und auch wenn die Idee des EU-Austritts objektiv betrachtet keineswegs besser wurde über die Zeit, die Scheidung muss nun endlich stattfinden. Die Briten haben praktisch zum dritten Mal über den EU-Austritt entschieden. Zum dritten Mal sprachen sie sich fürs Gehen aus. Erst im Referendum 2016, dann bei der Parlamentswahl 2017, als der überwältigende Teil der Bevölkerung für Parteien votierte, die mit der Zusage antraten, Großbritannien aus der EU zu führen. Und nun ging Johnson in den Wahlkampf mit seinem völlig überstrapazierten Motto, den Brexit durchzuziehen. Die Botschaft kam an. 

Was nicht heißt, dass er die Popularität genießt, die das Wahlresultat vermuten lässt. Vielmehr verabscheuen die Briten den altlinken Oppositionschef Jeremy Corbyn nur noch mehr. Johnson galt als das kleinere Übel. Unter Corbyn präsentierte sich die Labour-Partei seit langem in einem desaströsen Zustand. Alle Stimmen der Vernunft wurden als verkappte Tories verschmäht und aussortiert.

Johnson dagegen hat es verstanden, die Frustration der vom
Brexit zermürbten Menschen einzufangen. Damit hat er sogar die Rote Wand von Labour im Norden Englands und in den Midlands durchbrochen. Labour dürfte sich auf lange Zeit nicht erholen. Doch Johnson stillte mit eingängigen, wenn auch falschen Versprechen das Bedürfnis der Menschen nach Klarheit, bediente ihre Bitte, das Thema endlich vom Tisch zu nehmen. Dass das eine Illusion ist, dürften die Briten im nächsten Jahr erkennen, wenn die Streitereien über einen künftigen Handelsdeal mit der EU beginnen. Das Dauerthema wird Dauerthema bleiben.

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