Deutsche Bank mit Rekord-Verlust

Frankfurt/Davos · 6,7 Milliarden Euro – ein solch riesiges Minus stand nie zuvor in einer Jahresbilanz der Deutschen Bank. Die Aktie stürzt ab, und die Anleger fragen: Wo sind die Perspektiven für den deutschen Branchenprimus?

In Davos lässt sich John Cryan noch nichts anmerken. Auf der Bühne des Weltwirtschaftsforums plaudert der Deutsche-Bank-Chef über die Zukunft des Bankgeschäfts und überrascht mit der Prognose, Bargeld sei in zehn Jahren abgeschafft. Es sei "schrecklich teuer und ineffizient". Ähnliche Attribute hat der Brite auch schon für Deutschlands größtes Geldhaus bemüht, das er seit Sommer mit Macht umzubauen versucht. Wie schmerzhaft das wird, offenbarte sich wenige Stunden nach Cryans Davoser Gastspiel: Am Mittwochabend kündigte die Deutsche Bank für 2015 den größten Verlust ihrer Geschichte an.

6,7 Milliarden Euro Verlust, davon 5,2 Milliarden Euro Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten, eine weitere Milliarde kommt für den geplanten Jobabbau hinzu - die Eckdaten sind gewaltig und noch schlechter als von Analysten erwartet. Wie mancher neue Vorstandschef scheint auch Cryan möglichst alle Belastungen ins alte Jahr zu packen, um im ersten vollen Jahr unter seiner Führung durchstarten zu können.

Zu Cryans Amtsantritt am 1. Juli 2015 feierte die Börse. Der Brite wurde wie ein Heilsbringer empfangen, der das Durchwurschteln des glücklosen Führungsduos Anshu Jain/Jürgen Fitschen beenden und endlich mit den Altlasten aufräumen würde. Tatsächlich lässt Cryan keinen Stein auf dem anderen. Etliche Jain-Vertraute mussten gehen, die Bilanz wird ausgemistet, der Konzern schrumpft die Belegschaft - inklusive der beschlossenen Trennung von der Postbank - von zuletzt gut 100 000 Mitarbeiter etwa um ein Viertel. Bis Ende 2017 will die Bank etwa 200 der 700 Filialen schließen.

"Mit diesen Schritten schaffen wir das Potenzial, uns zu einer starken, effizienten und gut geführten Institution zu entwickeln", verspricht Cryan. Doch an der Börse hat sich Ernüchterung eingestellt: Der Aktienkurs hat sich seit Anfang August auf etwa 16 Euro halbiert. Die Dividende für 2015 und 2016 hat der Vorstand gestrichen - ein Novum in der Nachkriegsgeschichte des Instituts.

Verunsicherte Aktionäre



"Die Aktionäre sind zutiefst verunsichert, was diese Rückstellungsorgie angeht", sagt Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Verdächtige Handelsgeschäfte in Russland, krumme Hypotheken-Deals aus Zeiten vor der Finanzkrise, Manipulation von Zinsen und Devisenkursen - die Liste der Klagen, Verdachtsfälle und Vorwürfe scheint endlos. "Wir hatten gehofft, dass Herr Cryan bis zur Hauptversammlung nicht nur den eisernen Besen in der Hand hat, sondern auch die eine oder andere Erfolgsmeldung bringt", sagt Nieding. "Es ist ganz und gar nicht zu erkennen, wo in Zukunft die cash cow der Deutschen Bank sein soll."

Das Investmentbanking - zu Jains Zeiten die Gewinnmaschine der Bank - wird zurechtgestutzt, auch weil Aufseher strengere Kapitalvorgaben machen. Im Privatkundengeschäft hat der deutsche Branchenprimus wie die gesamte Branche mit dem Zinstief und den Herausforderungen der Digitalisierung zu kämpfen. Derweil enteilt die US-Konkurrenz: Sie vermeldet Milliardengewinne.

Meinung:

Tief in der Krise

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Nachricht vom Rekordverlust macht auch notorischen Optimisten klar: Die Deutsche Bank steckt im Krisenmodus fest - und das wohl noch lange. Nicht nur drücken die Altlasten aus Zeiten der internationalen Finanzkrise. Auch das einst so profitable Investment-Banking zeigt massive Schwächen. Schlimmer noch: Wo und wie die Bank stattdessen tolle Geschäfte machen kann und will, ist bislang nicht zu erkennen. Vorstandschef John Cryan und seine Mannschaft haben eine langwierige und mühsame Arbeit vor sich. Und allen muss bewusst sein: In der Weltliga mit den US-Banken spielt der deutsche Branchenprimus auf absehbare Zeit nicht mit.

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