Schonungslose Wahrheit

Nach VW macht nun ein zweiter deutscher Top-Konzern Negativ-Schlagzeilen. Die Deutsche Bank schockiert die Finanzmärkte mit einem Rekordverlust von 6,2 Milliarden Euro und der Ankündigung, den Aktionären möglicherweise erstmals keine Dividende zu zahlen.Doch gibt es trotz der miserablen Zahlen Grund zu Optimismus.

Sie sind - hoffentlich - auch das ersehnte Signal für den lange versprochenen Neuanfang. Der neue starke Mann an der Spitze, der Brite John Cryan, legt die Schwächen der Bank offen - ohne frühere Vorstandschefs zu schonen. Cryans Bilanz spricht bittere Wahrheiten brutalstmöglich aus: Der einst gepriesene Kauf der Postbank war ein teurer Fehler, zumal die Integration des Privatkundengeschäfts kleiner Leute in die global agierende Großbank nie gelang. Das bis zur Finanzkrise mit Rekordgewinnen glänzende Investmentbanking operierte mit viel zu hohen Risiken und ließ sich auf Betrügereien ein, die unabsehbar viele Milliarden kosten dürften.

Der Ruf der Bank hat in Folge der Finanzkrise extrem gelitten, sich seitdem nicht mehr erholt. Cryans Vorgänger Anshu Jain , der das Investmentbanking groß gemacht hatte, kündigte zwar einen Kulturwandel an, ging aber zögerlich und halbherzig vor. Der Eindruck hielt sich hartnäckig, dass die Deutsche Bank im Grunde weitermacht wie zuvor.

Das radikale Vorgehen Cryans folgt zwar einem typischen Muster. Neue Chefs legen gerne zuerst Horrorzahlen vor und schieben die Verantwortung dafür den Vorgängern zu, um später mit satten Gewinnen zu glänzen. Cryan ist aber mehr zuzutrauen als solche machttaktischen Spielchen. Er hat sich vor der Übernahme des Führungspostens bei der Deutschen Bank als Finanzchef der Schweizer UBS viele Meriten erworben. Dort war er maßgeblich an einem radikalen Umbau beteiligt, räumte Giftpapiere aus den Bilanzen und verhalf der UBS zu neuem Vertrauen. Mit der gleichen Entschlossenheit geht er nun vor.

Die eigentliche Bewährungsprobe kommt für ihn aber noch. Die gigantische Abschreibung ist nur die Abrechnung mit der Vergangenheit. Ende des Monats, wenn die Quartalszahlen im Detail vorgelegt werden, erwarten Branchenbeobachter von Cryan einen Plan für die Sanierung und für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Er gibt sich entschlossen, auch an die internen Strukturen heranzugehen, die hohen Kosten zu drücken und einen harten Sparkurs einzuschlagen. Angeblich könnten dem bis zu 10 000 Jobs zum Opfer fallen.

Solche Einschnitte sind nur zu rechtfertigen, wenn das Geldhaus das von Cryan benannte Ziel erreicht: nämlich eine bessere Deutsche Bank zu schaffen. Die deutsche Wirtschaft mit ihren vielen global agierenden Konzernen braucht jedenfalls eine Deutsche Bank , die wirklich auf Weltniveau arbeitet.

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