"Und dann stirbt man auch noch!"

Wie geht es Ihnen heute?Allen: Ich habe eine schreckliche Erkältung. Also kein Händeschütteln bitte, keine Küsschen, gar nichts.Wenn Sie auf 75 Jahre zurückblicken - würden Sie Ihr Leben als erfüllt bezeichnen?Allen: Andere schauen sicher auf blühendere Existenzen zurück als ich, aber unter den gegebenen Umständen hatte ich ein schönes Leben

 Woody Allen - Humorist, Skeptiker und Baseball-Fan. Foto: dpa

Woody Allen - Humorist, Skeptiker und Baseball-Fan. Foto: dpa

Wie geht es Ihnen heute?

Allen: Ich habe eine schreckliche Erkältung. Also kein Händeschütteln bitte, keine Küsschen, gar nichts.

Wenn Sie auf 75 Jahre zurückblicken - würden Sie Ihr Leben als erfüllt bezeichnen?

Allen: Andere schauen sicher auf blühendere Existenzen zurück als ich, aber unter den gegebenen Umständen hatte ich ein schönes Leben. Ich bin ziemlich gesund, hatte Erfolg, Kinder und Liebesgeschichten - und all das vor dem Hintergrund einer wahrhaft tragischen Existenz. Denn eines ist sicher: Wir werden alle sterben.

Denken Sie oft an den Tod?

Allen: Natürlich. Das Leben ist kurz, brutal, einsam, erschreckend - und dann stirbt man auch noch. Eines Tages wird das Leben auf der Erde enden und das, was unsere Kultur ausmachte, wird erlöschen. Kein Beethoven, kein Shakespeare, auch kein Picasso oder Michelangelo mehr: Alle diese Helden werden auf immer verloren sein. Wie soll man dieser Welt einen Sinn abgewinnen und etwas Dauerhaftes schaffen, wenn das ganze Universum zum Untergang verdammt ist?

Wie entkommen Sie selber der Angst vorm Leben?

Allen: Gläubige Menschen sind oft viel glücklicher als ich, weil ich mich von meinen Ängsten beuteln lasse. Aber ich kann mir trotzdem nicht verkneifen, sie dämlich zu finden. Warum sollte man den Anweisungen eines Priesters oder Rabbiners folgen? Lächerlich.

Wie bewahren Sie sich dennoch einen wohlwollenden Blick für die menschlichen Schwächen?

Allen: Meine Eltern haben mich gelehrt, dass Gott für unsere Welt verantwortlich ist. Da er uns in diese grausame Welt voller Krieg und Armut geworfen hat, bleibt uns nichts anderes zu tun, als nett zu unserem Nächsten zu sein. In dieser Welt voller Barbaren ist die Liebenswürdigkeit eine hilfreiche Ausnahme.

Was treibt Sie da an? Finden Sie es nicht ermüdend, jedes Jahr einen Film zu drehen?

Allen: Gar nicht! Normalerweise braucht man als Regisseur mehrere Jahre, um einen Film zu drehen. Ein Drehbuch schreiben, einen Produzenten und die Gelder finden, das Casting anleiern, Stars vorladen, im letzten Moment entdecken, dass sie nicht mehr verfügbar sind, und schließlich mit dem Dreh beginnen: Das alles dauert ewig. Ich bin privilegiert, denn ich habe das Geld für meinen Film schon, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Alles passiert ganz reibungslos. Ich brauche zwei Monate für das Drehbuch, vier Monate für den Dreh und den Schnitt. Also bleibt mir viel Zeit, um in meiner Jazzband Klarinette zu spielen, meine Kinder zu sehen, mit meiner Frau in Urlaub zu fahren und die Baseball-Spiele der Yankees zu verfolgen. Glauben Sie mir, ich bin alles andere als arbeitsbesessen.

Warum tauchen Sie eigentlich nicht mehr in Ihren Filmen auf?

Allen: Weil ich keine gute Rolle für mich finde. Natürlich könnte ich von vorneherein nach Ideen suchen, die mich auf die Leinwand zurückbringen, aber das ist schwer. Jahrelang stand ich als romantische Hauptfigur meiner Filme Diane Keaton, Mia Farrow und anderen unglaublichen Frauen gegenüber. Heute aber, in meinem Alter, kann ich nicht mehr glaubwürdig den "jungen Helden" geben. Gewöhnlich leiden vor allem die Schauspielerinnen unter diesem Problem. 20 Jahre lang spielen sie die romantische Heldin, aber eines Tages findet man sie plötzlich zu alt und ersetzt sie durch eine Jüngere.

Würden Sie gerne als Frau wiedergeboren werden?

Allen: Auf keinen Fall! Ich habe vor einiger Zeit gesagt, dass ich am liebsten als die Fingerspitzen des großen Verführers Warren Beatty auf die Erde zurückkehren würde. Aber ehrlich gesagt erschreckt mich die Idee der Reinkarnation ein wenig. Da mein Leben ziemlich glücklich war, hätte ich Angst, eines Tages in einer armen, drogenabhängigen Familie, die in einem faschistischen Land lebt, wieder auf die Welt zu kommen.

Wie hat es sich auf Ihren Stil ausgewirkt, dass Sie seit einiger Zeit in Europa und nicht in Ihrem New Yorker Umfeld drehen?

Allen: Diese lange Periode in Europa hat mich nicht verändert, aber diese Erfahrung war ein Vergnügen. Da ich in den USA nicht mehr so viele Zugeständnisse an den dortigen Markt machen wollte, bin ich eben vorübergehend ins Exil gegangen. Das war die Verwirklichung meines Jugendtraums. Als junger Mann, zwischen 20 und 30, waren ich und meine Freunde die US-Filme leid. Ich fand sie furchtbar. Also begann ich, europäische Regisseure wie Bunuel, Fellini, Bergman oder Truffaut zu idealisieren: Sie waren meine Helden. Wenn man mich damals fragte, was ich werden wollte, sagte ich: ein ausländischer Regisseur.

Fühlen Sie sich heute eher als ein europäischer Regisseur?

Allen: Ich wurde immer vom europäischen Kino beeinflusst. Von Anfang an hatte ich mehr europäische als amerikanische Zuschauer. Denn meine Filme sind aus der Kultur eines Mannes entstanden, der mit dem europäischen Kino aufgewachsen ist. Wissen Sie, mein neuer Film wird nur einen winzigen Teil des amerikanischen Publikums interessieren. Ich bin eben kein lukratives Geschäft, kein "Moneymaker". In meiner 40-jährigen Karriere habe ich nie einen wirklich großen Kassenerfolg landen können. Selbst als "Manhattan" den Oscar als bester Film gewann, hatte er im Kino kaum Zuschauer.

 Naomi Watts und Anthony Hopkins in Allens neuem Film "Ich sehe den Mann deiner Träume" - einer melancholischen Komödie über die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Foto: Concorde

Naomi Watts und Anthony Hopkins in Allens neuem Film "Ich sehe den Mann deiner Träume" - einer melancholischen Komödie über die Irrungen und Wirrungen der Liebe. Foto: Concorde

Kritik zum Film morgen im treff.region. "Ich sehe den Mann deiner Träume" läuft ab morgen in der Camera Zwo (Sb).

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