Stille unter dem Dom

St. Wendel. Die Altstadt rund um den St. Wendeler Dom ist ruhig. Sonntagnachmittags liegt eine erholsame Stille über der Stadt. Nur die Dom-Glocke durchbricht ab und zu das Schweigen. In einer Seitengasse, direkt neben der großen Kirche, im Café Bogart's ist es noch viel stiller. Es ist aber kein erholsames, sondern ein hochkonzentriertes Schweigen

 Konzentriert: St. Wendels Dreiband-Spieler Daniel Schwerdtfeger peilt einen Stoß an. Er gewann seine beiden Spiele am vergangenen Wochenende souverän. Foto: Bonenberger & Klos

Konzentriert: St. Wendels Dreiband-Spieler Daniel Schwerdtfeger peilt einen Stoß an. Er gewann seine beiden Spiele am vergangenen Wochenende souverän. Foto: Bonenberger & Klos

St. Wendel. Die Altstadt rund um den St. Wendeler Dom ist ruhig. Sonntagnachmittags liegt eine erholsame Stille über der Stadt. Nur die Dom-Glocke durchbricht ab und zu das Schweigen. In einer Seitengasse, direkt neben der großen Kirche, im Café Bogart's ist es noch viel stiller. Es ist aber kein erholsames, sondern ein hochkonzentriertes Schweigen. Kaum betritt jemand das Café, verfällt er automatisch in einen Flüsterton. Nur das Klacken von drei Billard-Kugeln ist zu hören. Und der Schiedsrichter, der gegen die stehende Luft die erzielten Punkte verkündet. "St. Wendel: eins".Es sind nur ganz wenige Zuschauer gekommen, um sich die Dreiband-Partie der 2. Bundesliga zwischen dem BC St. Wendel und dem BSC Karlsruhe anzusehen. Nur knapp 15 Leute sind im Bogarts. Schwierig zu sagen, ob überhaupt ein richtiger Zuschauer anwesend ist. Die, die da sind, sitzen oder stehen um die beiden Dreiband-Tische herum. Schweigend, versteht sich. Ab und zu ein Raunen bei einem sehr guten, sehr schlechten oder sehr knappen Stoß - das sind die einzigen Regungen der Billard-Freunde.

"Wir haben keine Zuschauer-Resonanz", sagt Team-Manager Rainer Selgrath. "Obwohl wir Sport auf gutem Niveau anbieten." Damit hat er Recht. Was sich auf dem blauen Kammgarn in einem kleinen Billard-Café in einer St. Wendeler Seitengasse abspielt, ist beeindruckend.

Dreiband zählt zum Karambol-Billard und gilt als Königsdisziplin, als schwierigste Variante überhaupt. Ziel ist es, mit einer Spielkugel, zwei andere Kugeln zu treffen. Jedoch muss die Spielkugel vor der Karambolage mit der zweiten Kugel mindestens drei Mal die Bande berührt haben. Das ist schwierig. Selbst Bundesliga-Spieler brauchen oft mehrere Stöße, um dieses Kunststück einmal zu schaffen. In fast jeder Spielsituation gibt es mehrere Möglichkeiten, wie die Kombinations-Karambolage zu erreichen ist. Der Spieler muss die möglichen Kugelläufe durchgehen, muss die Winkel abschätzen. Und das über einen sehr langen Zeitraum. Ein Spiel endet erst, wenn ein Spieler 40 Punkte erzielt hat, das kann über zwei Stunden dauern. Der ganze Spieltag dauert fast vier Stunden.

Darin liegt auch das Problem. Nicht nur für Spieler ist es eine besondere Herausforderung, die Konzentration zu behalten, sondern auch für die Zuschauer. Vier Stunden volle Aufmerksamkeit bei erdrückender Stille. Das ist schwierig, selbst, wenn man nicht selbst spielt. "Wir haben auch Zuschauer, die nach der Kirche oder dem Frühstück vorbeikommen und sich nur ein Teil des Spiels anschauen", sagt Selgarth. "Aber ganz viele Leute schauen auch Snooker auf Eurosport. Da frag ich sie immer: Warum guckst du Snooker? Wir haben hier in St. Wendel auch Billard auf hohem Niveau." Vielleicht liegt es an Kult-Kommentator Rolf Kalb, der das obligatorische Schweigen mit seiner Begeisterung durchbricht oder einfach an der Tatsache, dass der Zuschauer den Sender wechseln kann, wenn die Konzentration nachlässt. An der sportlichen Leistung der St. Wendeler liegt es definitiv nicht. Sie gewinnen mit 6:2. Gefeiert oder gejubelt wird danach nicht. Es bleibt alles ganz ruhig.

Auf einen Blick

Der BC St. Wendel hat am Samstag ohne Topspieler Jérôme Barbeillon gegen den bisher verlustpunktfreien Spitzenreiter Fehrbach ein 2:2 geholt. Stefan Hirt und Joachim Schwerdtfeger siegten. Nach dem Sieg vom Sonntag liegt der BC auf Tabellen-Rang drei. msc

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