Neues von Tindersticks Von Melancholie gegerbte Schönheit

✮✮✮✮✮ Die Band Tindersticks sorgt mit Streichern und einer Orgel für Gänsehaut-Momente.

 Die britische Rockband Tindersticks überzeugt mit ihrem neuen Album „No Treasure But Hope“.

Die britische Rockband Tindersticks überzeugt mit ihrem neuen Album „No Treasure But Hope“.

Foto: Richard Dumas

Der erste Track des neuen Tindersticks-Albums „No Treasure But Hope“ (City Slang) heißt „For The Beauty“ – und er spricht Bände. Diese in ihrer Art einmalige Band hat sich nach zuletzt recht müden Werken endlich wieder auf ihre Kernkompetenz besonnen: das Erschaffen von betörender Schönheit – oder sagen wir besser: von in Melancholie gegerbter, betörender Schönheit. Diese fabelhafte Eröffnung demonstriert, dass dazu nie viel nötig war: David Boulter betupft sanft das Klavier, Neil Frasers Gitarre perlt milchglasig, Dan McKinnas Bass pulsiert warm, Earl Harvin streichelt sein Schlagzeug mit Federstiel und Stuart Staples haucht beseelte Worte. Der vertraut genialische Coup sind Streicher, die das Ganze wie Rosenpracht umranken.

Die famosen Tindersticks stehen endlich wieder in voller Blüte. „The Amputees“ drückt etwas mehr aufs Tempo, ein Vibraphon tänzelt fast schon fröhlich, die Gitarrensaiten wagen ansatzweise Riffs, Bläser pusten Drama. Dass aber auch dieses Lied ein tiefer Sehnsuchtsruf ist, wird vom Sänger unverhohlen verkündet. So barmt er unaufhörlich: „I miss you so bad“. Auch „Trees Fall“ klöppelt, schwelgt, kreiselt, schlingert, pocht unmittelbar ins Herz. Hier sorgen insbesondere dramaturgisch brillante Streicher-Arrangements und feine Orgel-Schlieren für Gänsehaut.

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Foto: Cityslang

Spätestens jetzt erinnert sich selbst der versierteste Kenner an folgende schöne Erkenntnis bezüglich Tindersticks: Jeder einzelne Ton ist bei ihnen Teil eines magischen Flows, der sich gegen pingeliges Auseinanderbröseln von Zutaten vehement wehrt. Das hat der Hörer schon mit dem selbstbetitelten, Legendenstatus bildenden Debüt vor einem Vierteljahrhundert sofort verstanden: Diese Band ist am besten, wenn alles wie von Zauberhand ineinander fließt. Auf jedem einzelnen der zehn Songs von „No Treasure But Hope“ wird man Zeuge dieses geliebten Phänomens. Allesamt beherbergen sie ureigene Finessen. Kontinuität hat der bittersüße Reigen mit seiner generell plüschigen Melancholie und mit Staples’ unfassbar edelmütig flehender Stimme. Am ehesten betreten die „Kammer-Popper“ Neuland mit „See My Girls“. Was die Gitarre nämlich hier anstellt, ist für Tindersticks’sche Verhältnisse geradezu entfesselt.

„Tough Love“ sorgt für einen letzten Höhepunkt: Über einem wundersam verschleppten Reggae-Rhythmus fahren die Briten noch einmal alles, auf was in ihrem – 1993 höchstpersönlich zum Patent angemeldeten – Genre geht. Ganz am Ende schließlich entlässt uns ein entspannt sanftpfötiges Titelstück aus einem Album, das zu den wirklich überragenden dieses Jahrgangs zählt.

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