Stadionverbot bei bloßem Verdacht

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Stadionverbote auf Verdacht für zulässig erklärt. Mitglieder randalierender Fan-gruppen können auch dann bundesweit für alle Stadien gesperrt werden, wenn ihre konkrete Beteiligung an Gewalttätigkeiten nicht nachgewiesen ist. Nach einem Urteil vom Freitag genügt es bereits, dass der Fan Teil einer Gruppe war, die durch Randale aufgefallen ist

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Stadionverbote auf Verdacht für zulässig erklärt. Mitglieder randalierender Fan-gruppen können auch dann bundesweit für alle Stadien gesperrt werden, wenn ihre konkrete Beteiligung an Gewalttätigkeiten nicht nachgewiesen ist. Nach einem Urteil vom Freitag genügt es bereits, dass der Fan Teil einer Gruppe war, die durch Randale aufgefallen ist. "Auf den Nachweis, er habe sich an den aus der Gruppe begangenen Gewalttätigkeiten beteiligt, kommt es nicht an", entschied der BGH. Damit wies das Gericht die Klage eines Fans des FC Bayern München ab, der nach einem Spiel mit einer Gruppe in eine Randale mit Duisburger Fans geraten und vorübergehend in Gewahrsam genommen war. Er bestritt jede Beteiligung, die anfänglichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Landfriedensbruchs wurden schließlich wegen Geringfügigkeit eingestellt. Trotzdem erhielt er ein Stadionverbot für gut zwei Jahre. Der Deutsche Fußballbund (DFB) sieht sich durch das Urteil in seiner Linie bestätigt. "Stadionverbote stellen für den DFB eine wichtige Präventiv-Maßnahme dar, um die Sicherheit in den Stadien zu gewährleisten", sagte der Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hingegen formulierte: "Wäre das Verbot gekippt worden, hätte sich die Polizei vom Fußball verabschieden können." Dennoch sieht Wendt derzeit keine ausreichende Sicherheit: "In der derzeitigen Situation müssen wir leider jedem Fußball-Fan sagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr." Das will die Deutsche Fußball-Liga so natürlich nicht stehen lassen. "Das ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen friedlicher Fußballfans. Diese Aussagen sind unverantwortlich und Panikmache aus Gründen der Selbstdarstellung", konterte Christian Seifert, Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung. dpaMeinung

Ein problematisches Urteil

Von SZ-RedakteurMichael Kipp Stadionverbote sind gut. Sie schützen den Großteil der Fans vor den wenigen Randalierern. Dennoch ist das Urteil des BGH bedenklich. Nicht aufgrund der Rechtslage: Wer Hausrecht hat, darf entscheiden, wer rein kommt und wer nicht. Das ist vor jeder Disco so, das darf auch in einem Stadion sein, in dem ein Verein das Hausrecht hat. Auch wenn das Stadion mit öffentlichem Geld gebaut worden ist, ist es das gute Recht des Clubs, vermeintliche Störenfriede draußen zu lassen. Die Problematik des Urteils liegt in der Umkehr der Beweislast. Nicht der Verein muss beweisen, dass der Fan sich ein Stadionverbot "erarbeitet" hat, der Verschmähte muss dies tun. Wer öfters mit einem Sonderzug zu einem Spiel fährt, weiß, dass es sehr schnell gehen kann, unschuldig und unvermittelt zwischen einen randalierenden Mob und die Polizei zu geraten. Die bewertet solche Situationen anscheinend nicht immer richtig. Und so ist dieses Urteil auch eine Verpflichtung für die Vereine. Sie müssen über die Streitfälle diskutieren. Sie müssen ihren Fanprojektleitern und Fans zuhören. Das macht derzeit nicht jeder Verein. Der DFB sollte daher diese Gespräche anordnen, um der Stadionverbots-Diskussion den Wind zu nehmen - und um Vereine dazu zu bringen, zu Unrecht Verbannte wieder aufzunehmen.

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