Ski alpin Die Olympiasiegerin fühlt sich nicht als Star

Åre · Die beste deutsche Skirennläuferin hat bei der Alpin-WM im schwedischen Åre am heutigen Dienstag ihre erste Medaillenchance.

 Skirennfahrerin Viktoria Rebensburg macht einen recht entspannten Eindruck vor der WM, obwohl die aktuelle Saison bisher gar nicht so zufriedenstellend verlaufen ist.

Skirennfahrerin Viktoria Rebensburg macht einen recht entspannten Eindruck vor der WM, obwohl die aktuelle Saison bisher gar nicht so zufriedenstellend verlaufen ist.

Foto: dpa/Maximilian Haupt

Die Saison von Viktoria Rebensburg (29) war ein stetes Auf und Ab, einem Weltcup-Sieg jagte sie vergeblich hinterher. Dennoch ist die Olympiasiegerin von 2010 für die Alpin-WM in Åre optimistisch. Gleich zum Auftakt der Titelkämpfe beim Super-G am heutigen Dienstag (12.30 Uhr/ARD und Eurosport) hat sie die erste Chance auf Edelmetall. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst spricht die beste deutsche Skirennläuferin über ihre erste Weltmeisterschaft 2007 ebenfalls in Åre, ihre schwierigste Zeit und über ihre Zukunftspläne.

Frau Rebensburg, 2007 haben Sie als Talent in Åre Ihre erste WM bestritten, jetzt kehren Sie als Anführerin und Medaillenhoffnung zurück. Auch als anderer Mensch?

VIKTORIA REBENSBURG Damals war ich noch ein Küken, wenn ich die Bilder sehe – heieiei! Natürlich bin ich nicht mehr derselbe Mensch. In Grundzügen schon, aber ich habe mich weiterentwickelt. Durch die Erfahrung habe ich einen anderen Blick auf die Dinge entwickelt – auch im Sport. Ich war jung, es war mein erster Auftritt auf großer Bühne, alles war neu und aufregend. Ich habe coole Erinnerungen an das Rennen und die Zeit, obwohl es sehr kalt war.

Mit Platz acht im Riesenslalom haben Sie Ihr großes Potenzial gleich angedeutet.

REBENSBURG Ja, das war auf alle Fälle ein Erfolg. Ich bin davor nie in einem Weltcup-Rennen durchgekommen. Ich hatte immer schnelle Zwischenzeiten, habe es aber nie ins Ziel gebracht. Aber ich hatte in dem Jahr einige Europacups gewonnen, war gut drauf. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, das ganze Rennen ist noch sehr präsent.

Erzählen Sie.

REBENSBURG Es war ein Nachtrennen, das war ziemlich ungewöhnlich für mich, mein erster richtiger Höhepunkt. Aber so hatte ich den ganzen Tag Zeit nachzudenken, wie es laufen wird, und war ziemlich nervös. Viele Leute daheim in Kreuth haben gesagt, dass sie mir Glück wünschen. Es war, als schaue der ganze Ort zu. Doch als es auf die Piste ging, waren die ganzen Gedanken weg. Ich habe nur noch daran gedacht, wie cool es ist, dieses Rennen zu fahren.

Doch dann lief es zunächst gar nicht gut.

REBENSBURG Im ersten Lauf bin ich nicht so toll gefahren, wie ich es gekonnt hätte. Auch im zweiten waren viele Fehler drin, aber ich habe den Ski immer laufen lassen und war schnell. Dann war ich zum ersten Mal in der Box des Führenden. Das sind schöne Emotionen.

Auf dem Stuhl der Führenden sind Sie inzwischen Dauergast. Wäre die 17-jährige Viktoria Rebensburg stolz auf die 29-Jährige?

REBENSBURG Klar, auf alle Fälle. Damals, das war das erste Heranschnuppern an die Weltspitze. Ein Weltcuprennen zu gewinnen, Olympiasiegerin zu werden, die Kugel zu gewinnen und dann noch mal und noch mal, in einer anderen Disziplin Rennen zu gewinnen – das war für mich das Ziel, aber noch so weit weg. Dass das alles so gekommen ist, da wäre ich sicher extrem stolz gewesen.

Sehen Sie sich als Star?

REBENSBURG Nein. Ich bin jemand, der extrem gern Ski fährt und eine extreme Leidenschaft für diesen Sport besitzt – und die Schnellste von A nach B sein möchte. Das ist der Grund, weshalb ich das mache. Ich bin davon fasziniert, will das Adre­nalin am Start spüren und die Herausforderung vor mir haben. So sehe ich mich, nicht als Star.

Was hätten Sie gern von Ihrem 17-jährigen Ich?

REBENSBURG (überlegt lange): Die Jungen haben den Vorteil, unbekümmert zu sein, einfach drauflosfahren zu können. Diese Unbekümmertheit ist zwar in gewissen Situationen noch immer da, aber damals war das etwas ganz anderes. Da hatte ich nullkommanull zu verlieren, es ging nur bergauf. Inzwischen habe ich so viel erlebt, so viel durchgemacht, musste neben vielen Höhen auch Tiefs überwinden.

Wie gut können Sie Niederlagen verdauen?

REBENSBURG Über die Zeit ist es zwar nicht leichter geworden zu verlieren, aber nachdem ich es jetzt schon ein paar Mal mitgemacht habe, weiß ich, wie ich damit klarkomme. Früher war das anders.

Wie kommen Sie denn damit klar?

REBENSBURG Ich brauche immer ein bisschen Zeit, Abstand. Dann überlege ich, warum es so gekommen ist. Ich versuche, alle Facetten abzuklappern, tausche mich mit meinem engsten Umfeld aus und frage mich, was ich selbst vielleicht nicht hundertprozentig gut gemacht habe. Dann kommt man schon drauf.

So war es auch nach dem missglückten Olympia-Riesenslalom 2018. War das emotional Ihr tiefstes Loch?

REBENSBURG Nein, das war sicherlich St. Moritz, die WM. Das war schon heftig. In Pyeongchang war es ein vierter Platz bei Olympia, da zählen nur die ersten drei, was danach kommt, interessiert keinen mehr. Aber die Saison war trotzdem gut verlaufen. 2017 war schon der ganze Winter schwierig, da kam die WM noch obendrauf. Erst der vierte Platz im Super-G, dann das Aus im Riesenslalom – das war für mich der schwierigste Moment.

Auch diese Saison lief für Sie bislang nicht ganz nach Wunsch. Welches Ziel verfolgen Sie in Åre?

REBENSBURG Natürlich ist es mein Ziel, eine Medaille mit nach Hause zu nehmen. Aber es ist extrem schwer, das zum Tag X hin zu planen. Auch wegen der äußeren Einflüsse.

Und wegen der starken Konkurrenz, vor allem in Ihrer Paradedisziplin Riesenslalom?

REBENSBURG Ich weiß, was ich kann im Riesenslalom, der Speed ist da. Und es ist eine gute Piste, die mir liegt. Ich werde sehr gut vorbereitet in das Rennen gehen, das wird mir das nötige Selbstbewusstsein und die erforderliche Stärke geben.

Sie sind neben Abfahrerin Kira Weidle die einzige deutsche Medaillenkandidatin bei den Frauen. Ist das eine besondere Last?

REBENSBURG Das ist ja mittlerweile nichts Neues mehr und wiederholt sich mindestens alle zwei Jahre. Ich kenne die Situation und weiß, was mich erwartet. Ich bin so lange dabei, dass ich weiß, wie ich damit umgehen muss.

Haben Sie noch sportliche Träume?

REBENSBURG Natürlich den Weltmeister-Titel, der mir einfach noch fehlt. Und den Traum, weiter den Sport betreiben zu können, den ich liebe, und dabei erfolgreich zu bleiben. Und das Glücklichsein in dem, was ich tue.

Und was kommt nach dem Winter?

REBENSBURG Urlaub, Erholung – dann eine neue Saison. Ich höre noch nicht so schnell auf (lacht). Dafür ist meine Leidenschaft für das, was ich mache, viel zu groß. Der Ehrgeiz, das Verlangen und das Ziel, siegen zu wollen: Das ist nach wie vor da.

Aber bis Olympia 2022 wird Sie das nicht mehr tragen?

REBENSBURG Ganz ehrlich: Nach den Erfahrungen in Pyeongchang hat für mich Olympia in Peking nicht mehr den Reiz, dass ich sage: Da kämpfe ich mich die nächsten Jahre noch durch.

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