Skispringen Der Maradona des Skispringens ist tot

Helsinki · Der Finne Matti Nykänen ist nach einem turbulenten Leben mit nur 55 Jahren gestorben.

 Matti Nykänen, in seiner einzigartigen Karriere auch viermaliger Olympiasieger im Skispringen, ist im Alter von 55 Jahren gestorben.

Matti Nykänen, in seiner einzigartigen Karriere auch viermaliger Olympiasieger im Skispringen, ist im Alter von 55 Jahren gestorben.

Foto: dpa/Mikko Stig

Matti Nykänen steht auf einer kleinen Bühne in Helsinki, Schweiß auf der Stirn, er grölt seinen größten Hit ins Mikrofon. „Lennä Nykäsen Matti“, singt der wohl beste Skispringer der Geschichte am Freitag in der Bar Ravintola Pallogrilli, „flieg, Matti, flieg“. Das Publikum, Biergläser in der Hand, brüllt die nächste Zeile mit: „Tule elävänä takaisin“ – „Flieg und komm lebend zurück.“ Keine drei Tage nach seinem Auftritt ist der große Finne tot.

Nykänen, der Maradona des Skispringens, verstarb in der Nacht zu Montag nach einem turbulenten Leben mit nur 55 Jahren. „Das ist schockierend, eine schlimme Nachricht“, sagt sein langjähriger Konkurrent Jens Weißflog. Nykänen und Weißflog hatten über Jahre das Skispringen bestimmt, bei Olympia 1984 in Sarajevo „haben wir uns die Medaillen geteilt“, sagt Weißflog. Vier Jahre später in Calgary holte der Finne bei drei Starts sogar drei Mal Gold.

International dürfte Nykänen daher bis heute einen größeren Namen haben als Weißflog. „Matti war für das Skispringen, was Lionel Messi und Diego Maradona für den Fußball sind“, sagt Sportdirektor Clas Brede Brathen vom finnischen Skisprungverband: „Er war der Held, ein Idol für Generationen. Jeder wollte so springen wie Matti.“

Nykänens Karriere liest sich tatsächlich wie ein Skisprung-Märchen. Mit 18 gewann er die WM, mit 19 die Vierschanzentournee, mit 20 Olympia-Gold in Sarajevo. Doch später folgte der tiefe Absturz des Überfliegers. Der Alkohol, die Frauen, das Herz. Die Hölle sei nicht so schlimm, „wie mein Leben jahrelang war“, sagte der gefallene Held 2012 in einem Interview: „Die Hölle muss ein besserer Ort sein.“

„Nykänen hatte diese Genialität leider nur auf der Schanze, im Leben war er etwas verloren“, sagte Bundestrainer Werner Schuster einmal. Da hatte der Finne gerade seinen Uralt-Rekord von 46 Weltcup-Siegen an Gregor Schlierenzauer verloren. Nykänen reiste daraufhin zum Springen nach Kuopio, um dem Österreicher persönlich zu gratulieren: „Gregor, du bist jetzt ein ganz großer Skispringer. Für mich der größte aller Zeiten.“

Das war höflich, aber nicht unbedingt richtig. Vier Olympiasiege wie Nykänen hat Schlierenzauer nicht zu bieten. Vier Triumphe im Gesamtweltcup auch nicht. „Matti war zu seiner Zeit einzigartig“, sagt auch Weißflog: „Er war für mich eine Art Vorbild.“

Doch all die Titel, all die Medaillen, sie halfen Nykänen im richtigen Leben nicht. In seinem Wikipedia-Eintrag finden sich heute mehr Zeilen über die Zeit nach der Karriere als über die Jahre als Sportler. Die meisten handeln von Skandalen. Von seinen Scheidungen. Von einer Vorstrafe wegen Körperverletzung, weil er seine fünfte Ehefrau mit einem Messer attackierte. Von seiner Zeit als Stripper, als Sänger und als Darsteller in Erotikvideos. Von einem Herzinfarkt im Jahr 2004. Und immer wieder von Alkohol. „Ich war sehr jung, als ich erfolgreich geworden bin, die Medien waren die ganze Zeit um mich herum – ich hätte Hilfe gebraucht. Das war der Anfang. Ich habe später getrunken, weil ich vergessen wollte“, sagte Nykänen einst der Welt.

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