Letzte Ausfahrt Hockenheim

Saarbrücken. Zwölf Rechtskurven, fünf Linkskurven, sechs Geraden. Bernd Schneider ist sie in den letzten Tagen in Gedanken schon ein paar Mal gefahren - die letzte Runde in Hockenheim. Über die Ziellinie kam er aber nie. "Das wird hart werden", sagt Schneider. "Da werden unheimlich viele Emotionen hochkommen

 Pokalheld: Bernd Schneider nach seinem letzten Titelgewinn im Jahr 2006. Mit 43 DTM-Siegen und fünf Titeln ist er der erfolgreichste deutsche Tourenwagen-Fahrer. Fotos: Wolfgang Wilhelm

Pokalheld: Bernd Schneider nach seinem letzten Titelgewinn im Jahr 2006. Mit 43 DTM-Siegen und fünf Titeln ist er der erfolgreichste deutsche Tourenwagen-Fahrer. Fotos: Wolfgang Wilhelm

Saarbrücken. Zwölf Rechtskurven, fünf Linkskurven, sechs Geraden. Bernd Schneider ist sie in den letzten Tagen in Gedanken schon ein paar Mal gefahren - die letzte Runde in Hockenheim. Über die Ziellinie kam er aber nie. "Das wird hart werden", sagt Schneider. "Da werden unheimlich viele Emotionen hochkommen. Und deshalb schiebe ich die Sache lieber noch vor mir her und versuche, nicht daran zu denken." Die letzte Runde am Sonntag in Hockenheim wird nicht nur die letzte der DTM-Saison 2008, sondern auch die letzte in seiner langen Karriere.

Schneider setzt den Blinker und biegt nach 30 Motorsport-Jahren in Richtung Ruhestand ab. Das gab der St. Ingberter gestern am Sitz seines Arbeitgebers Mercedes in Stuttgart bekannt. Die Entscheidung zum Rücktritt ist lange gereift, letztendlich fiel sie nach dem Rennen in Le Mans Anfang des Monats. "Ich habe in den vergangenen Jahren ja oft darüber nachgedacht, wann der beste Zeitpunkt ist. Jetzt ist er gekommen. Ich wollte aufhören, solange ich noch konkurrenzfähig bin", sagt Schneider. "Ich wollte nicht, dass die Leute sagen: Mensch, der ist so lange gefahren, dass er aufhören musste."

"Schumi der Tourenwagen"

Mit Schneider verliert die DTM ihren bekanntesten Fahrer - und den Rekordsieger. 226 Rennen, 43 Siege, fünf Titel (1995, 2000, 2001, 2003 2006) - kein anderer Pilot hat der Serie so seinen Stempel aufgedrückt. 100 Mal, also fast in jedem zweiten DTM-Rennen, fuhr der St. Ingberter aufs Podest. Hinzu kam 1997 ein Titel als Sportwagen-Weltmeister und ein WM-Titel (1980) mit dem Kart. Sein Erfolg brachte ihm den Beinamen "Schneider-Meister" und "Michael Schumacher des Tourenwagensports" ein. Eine Parallele zu dem Kerpener: Im Regen galt Schneider als unschlagbar - ein Ergebnis langen Trainings. "Als ich Kart fuhr, hatten wir kein Geld für Regenreifen, deshalb musste ich im Training auch bei Regen immer mit Trockenreifen fahren", sagt Schneider.

Trotz des Erfolgs ist der St. Ingberter stets ein stiller Star geblieben. Einer ohne Allüren, ohne Skandale. Bisweilen wurde ihm sogar vorgeworfen, zu unscheinbar zu sein. Dabei ist Schneider durchaus spektakulär: spektakulär sympathisch und spektakulär schnell. Und spektakulär unspektakulär. Jemand, der um seine Person kein Aufheben macht. Jemand, und das ist vielleicht das Beeindruckendste, der trotz der sportlichen Höhenflüge nie die Bodenhaftung verloren hat. Sein früherer Teamchef Hans-Werner Aufrecht lobt: "Bernd ist ein unfassbar netter Mensch." Mercedes-Sportchef Haug sagte gestern: "Bernd und Mercedes-Benz waren 17 Jahre lang Partner - das ist länger als so manche Ehe hält. Mercedes verdankt Bernd viel. Für mich ist er ein Freund."

Haug war es auch, der Schneider 1991 zu Mercedes geholt hatte. Nach einem Formel-1-Intermezzo (siehe Hintergrund) fuhr der St. Ingberter in Amerika Sportwagen. Er erinnert sich: "Auf einem Flug nach Mexiko sagte Haug: ,Komm zurück nach Europa. Mit diesen Sportwagen sind schon zu viele tödlich verunglückt." Heute sagt Schneider: "In die DTM zu kommen, war die beste Entscheidung meiner Karriere."

Mit dem sicheren Gefühl eines Champions hat der St. Ingberter nun den letzten Bremspunkt seiner Karriere gewählt. Mit dem Sieg am Nürburgring und der Pole Position in Barcelona hatte er zuletzt gezeigt, dass er immer noch einer der besten ist. In Le Mans hetzte er Audi-Titel-Kandidat Timo Scheider so lange, bis der einen Fehler machte. Der Verbremser kostete Scheider einen wichtigen Punkt im DTM-Titelrennen gegen Mercedes-Pilot Paul di Resta. Schneider lacht: "Dass ich langsam alt werde, sehe ich eigentlich mehr im Spiegel als auf der Rennstrecke. Ich bin so fit wie lange nicht mehr."

Nach dem Ende der aktiven Laufbahn startet Schneider nun bei Mercedes-AMG seine zweite Karriere. Der DTM-Rekord-Champion wird als Testfahrer und Repräsentant des Mercedes-Sportablegers tätig sein. Zuvor aber kommt noch die letzte Ausfahrt Hockenheim. "Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt Schneider. In der letzten Runde wird es wohl mehr ein weinendes Auge sein.

Hintergrund

 Bernd Schneider 1988 im Zakspeed beim Formel-1-Rennen in Monte Carlo.

Bernd Schneider 1988 im Zakspeed beim Formel-1-Rennen in Monte Carlo.

Drei Jahre fuhr Bernd Schneider in der Formel 1 für Zakspeed und Arrows. "Eine schlimme Zeit", erinnert er sich. "Vor allem 1989 mit Zakspeed. Da reisten wir manchmal zu den Rennen und kamen nicht mal aus der Box raus, weil die Yamaha-Motoren beim Starten kaputt gingen." Insgesamt konnte er sich in den unterlegenen Autos nur für neun Rennen qualifizieren. Was er in der Formel 1 hätte erreichen können, zeigte Schneider 1995. Nach seinem ersten DTM-Titel durfte er als Dankeschön von Mercedes einen McLaren testen. Er war nur einen Wimpernschlag langsamer als Stammpilot David Coulthard. "Hätte Bernd in der Formel 1 die gleichen Einstiegsmöglichkeiten gehabt wie etwa Michael Schumacher, wäre auch er ein ganz Großer geworden." wip

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