Gegen Frust und Frankreich

Kristianstad. Michael Kraus stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, in Verteidigungshaltung. Um den 27-Jährigen Rückraumspieler vom HSV Hamburg scharten sich die Reporter im Hotel Grand Quality von Kristianstad, dem Quartier der deutschen Handball-Nationalmannschaft in der Vorrunde der WM in Schweden

 Der deutsche Rückraumspieler Michael Kraus (rechts) ist derzeit etwas angefressen. Bundestrainer Heiner Brand (links) hat ihn nach dem WM-Spiel gegen Spanien kritisiert, damit kann Kraus anscheinend nur bedingt umgehen. Foto: dpa

Der deutsche Rückraumspieler Michael Kraus (rechts) ist derzeit etwas angefressen. Bundestrainer Heiner Brand (links) hat ihn nach dem WM-Spiel gegen Spanien kritisiert, damit kann Kraus anscheinend nur bedingt umgehen. Foto: dpa

Kristianstad. Michael Kraus stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, in Verteidigungshaltung. Um den 27-Jährigen Rückraumspieler vom HSV Hamburg scharten sich die Reporter im Hotel Grand Quality von Kristianstad, dem Quartier der deutschen Handball-Nationalmannschaft in der Vorrunde der WM in Schweden. Denn vor allem Kraus hatte die Probleme des deutschen Angriffs bei der 24:26-Niederlage gegen Spanien verkörpert. Er selbst ist ratlos. "Ich bin noch nicht im Turnier", sagt er.

Kraus nicht in Form

Er gab sich dennoch optimistisch vor der heutigen Partie gegen Frankreich, der Übermannschaft der letzten drei Jahre (18.15 Uhr, ARD). "Wir haben ja eigentlich gezeigt, dass wir guten Handball spielen können", sagte Kraus. Für das weitere Turnier verheißen die Propheten dennoch wenig Gutes. Ohne einen Kraus, den Mann mit dem schnellen Armzug, in einer überragender Form dürfte ein Sieg gegen den Titelverteidiger in weite Ferne rücken - und damit auch die Chance auf das Halbfinale, welches das Team insgeheim angestrebt hatte.

Zudem gärt es in der Mannschaft nach dieser Niederlage, die so bitter war, weil man die Spanier nur noch in den sportlichen Abgrund zu stoßen brauchte. Kapitän Pascal Hens wagte gestern sogar das Undenkbare: Kritik am Bundestrainer. "Wir haben in den entscheidenden Phasen sicher alle nicht die richtigen Entscheidungen getroffen." Sie hätten den Überblick verloren. Am Personal auf dem Feld habe man "vielleicht zu lange festgehalten", sagte der Kapitän, der in der Zeit auf der Bank schmorte. "Ich hätte mir zugetraut, auf dem Feld die nötige Ruhe auszustrahlen", sagte er.

Ungewohnt heftige Töne. Und in Kraus kocht es, das ließ er anklingen. Die Kritik von Bundestrainer Heiner Brand, ihm fehle es in manchen Momenten an der nötigen Aufmerksamkeit, nervt den Mann, der mit seiner Erfahrung von 105 Länderspielen den Angriff lenken soll. Es liege nicht an den handballerischen Fähigkeiten, hat Brand angemerkt, sondern "an der Frage, konzentriert ins Spiel zu gehen". Darauf angesprochen, sagte Kraus: "Der Trainer weiß, dass ich mich sehr konzentriere." Brand sagt, er könne sich "schwerlich erklären", warum Kraus nach sehr spektakulären Aufritten bei den Testspielen gegen Schweden und auf Island bei der WM einbreche. "Ich hoffe, dass er die Form dieser Spiele noch findet", sagte der 58-jährige Gummersbacher. "Ich werde ihm noch einmal erklären, was ich von ihm erwarte", erklärt Brand weiter.

Brand hält an Kraus fest

Brand wird es also weiterhin mit Kraus versuchen, weil er angewiesen ist auf die handballerischen Fähigkeiten, wie er sie bewiesen hat bei der WM 2007, als er die Franzosen mit seiner Unverschämtheit schockte. Am Tag nach der Niederlage gegen Spanien zeigte sich Brand genervt von Aktionen seines eigentlich besten Spielers. "Es kann nicht sein, dass wir in der Pause absprechen, unsere Chancen zu erarbeiten, und dann spielt Michael Kraus zwei schnelle Pässe an den Kreis und riskiert so Ballverluste." Im Hinterkopf ist noch, dass Brand seinem Spieler Kraus nach der EM 2008 eine "Ruhepause" gönnte, was Kraus als ungerecht empfand. Aus dem ohnehin schwierigen Verhältnis des Trainers zu dem Spieler ist so längst ein Teufelskreis geworden.

Hintergrund

Wieder einmal ist Frankreich Erster. Bei der Handball-WM in Schweden ist der Titelverteidiger in der Gruppe A schon zwei Spieltage vor dem Vorrundenschluss in die Hauptrunde eingezogen. Nun sollen in Kristianstad wichtige Zusatz-Punkte für das weitere Turnier eingefahren werden - heute gegen Deutschland, morgen gegen Spanien. "Alle wissen, dass es ein Dreikampf um die ersten drei Plätze ist", sagte Thierry Omeyer. Der Torhüter des THW Kiel weiter: "Wenn man sieht, dass wir bei der EM nur mit zwei Toren gegen Deutschland gewonnen haben, erwarte ich ein enges Spiel." Auch Kreisläufer Bertrand Gille zollt den Deutschen Respekt. "In der Mannschaft kann Euphorie reifen und dann ist sie schwer zu schlagen", meinte der Profi vom Bundesligisten HSV Hamburg. Gleichzeitig gestand er aber auch ein: "Ich weiß nicht, in welchem Zustand die Mannschaft gerade ist." dpa

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