Leichtathletik-WM in London Die ganze Insel liegt Farah zu Füßen

London · Der britische Mittelstreckler begeistert seine Landsleute beim Sieg über 10 000 Meter – trotz hartnäckiger Doping-Gerüchte.

Mohamed Muktar Jama Farah hat golden abgeliefert. Und auf einmal haben sich das Vereinigte Königreich und „Sir Mo“ wieder lieb. „Ich verdanke dies den Menschen in London, ich verdanke dies den Menschen in Großbritannien“, sagte Farah mit tränennassen Augen, nachdem er zum Auftakt der Leichtathletik-WM in einem epischen 10 000-Meter-Rennen triumphiert hatte. Der dunkle Ritter der Langstrecke, dem stets Dopinggerüchte auf den Fersen sind, war im Olympiastadion der strahlende Held. Farah, 34 Jahre alt und nun sechsmaliger Weltmeister, zeigte am Freitagabend vor 60 000 völlig euphorisierten Zuschauern im Olympiastadion ein Paradoxon der Leichtathletik auf: Manchmal reicht es, einfach schnell zu laufen, um für die breite Masse dem sportmedizinischen Zwielicht zu entweichen.

„Es war eines der härtesten Rennen meines Lebens“, sagte Farah, der nach 26:49,51 Minuten knapp vor Joshua Cheptegei (Uganda/26:49,94) lag und wie immer seit 2011 der versammelten ostafrikanischen Lauf-Streitmacht die lange Nase zeigte: „Ich musste einfach stark bleiben, an mich selbst glauben und mir immer wieder sagen: Du kannst doch nicht in deiner Heimatstadt verlieren.“

„Mo‘s magischer Moment“, wie es am Samstag der Telegraph nannte, könnte der neue Höhepunkt einer so schönen Geschichte sein: Der gebürtige Somalier, der mit jahrelanger harter Arbeit zum besten Langstreckler seiner Generation, zum Liebling seiner neuen Heimat aufgestiegen ist. Nur: Einiges deutet darauf hin, dass Farahs Erfolge ihre Grundlage zumindest in einem Grenzbereich haben. Hartnäckig halten sich Doping-Gerüchte um seinen Trainer Alberto Salazar, belastend ist die Nähe zum nicht minder schlecht beleumundeten somalischen Trainer Jama Aden. Bei Aden, zu dessen Schützlingen Äthiopiens Weltrekordlerin Genzebe Dibaba gehört, waren 2016 Unmengen an Dopingmitteln sichergestellt worden. Zuletzt veröffentlichte die russische Hackergruppe Fancy Bears belastendes Material über Farah.

Dieser zog sich ins Schneckenhaus zurück, reagierte auf Nachfragen bockig. „Ich habe es satt, mich immer wiederholen zu müssen. Ich glaube an den sauberen Sport“, sagte Farah. Kritische britische Journalisten strafte er mit Schweigen. Sein Ansehen auf der Insel hatte merklich gelitten – bis alles am Freitagabend in einem wahren Jubelmeer mündete. Und das soll es nicht gewesen sein, Farah will sein „goldenes Goodbye“ (The Times) in London fortsetzen. Am Sonntag greift er auch über 5000 Meter nach Gold, es wäre der sechste Double-Gewinn in Serie. Den Doppelschlag aus 5000 und 10 000 Meter hatte er zuvor bei Olympia 2012 und 2016, den Weltmeisterschaften 2013 und 2015 sowie bei der EM 2014 geschafft.

Zuvor muss Farah die Wunden seines ersten Londoner Kampfes pflegen – die 10 000 Meter mit viel Hauen und Stechen und Treten haben Spuren hinterlassen. „Ich bin angeschlagen, habe Schnitte und Schrammen, muss zum Arzt und brauche sicher einige Stiche“, sagte Farah, „aber das wird schon wieder.“

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