Das zweite Leben

Johannesburg. Es immer dieselbe Prozedur, die Ivano Bordon mit den Tormännern der Squadra Azzurra beim Training anstellt. Erst passt er ihnen ein paar Bälle in den Fuß, dann schießt er ihnen locker die ersten in die Hände, es folgen Flachschüsse und Aufsetzer. Ungefähr zehn Minuten dauert die Prozedur, die die Schlussleute am Anfang jeder Einheit in Schwung bringen soll

Johannesburg. Es immer dieselbe Prozedur, die Ivano Bordon mit den Tormännern der Squadra Azzurra beim Training anstellt. Erst passt er ihnen ein paar Bälle in den Fuß, dann schießt er ihnen locker die ersten in die Hände, es folgen Flachschüsse und Aufsetzer. Ungefähr zehn Minuten dauert die Prozedur, die die Schlussleute am Anfang jeder Einheit in Schwung bringen soll. Danach wird es tückischer: Bordon, 59, früher selbst ein erstklassiger Goalie bei Inter Mailand, hält mit der rechten und linken Hand je eine Kugel, vor ihm lauert der gerade auserkorene Keeper und schnappt sich jene, die der italienische Torwarttrainer fallen lässt. Wer Federico Marchetti dabei zusieht, erspäht schnell, dass der 27-Jährige noch nicht jene Geschmeidigkeit und Gewandtheit mitbringt, die einen Gianluigi Buffon bei diesen automatisiert ablaufenden Übungen auszeichnet. Doch der 32-Jährige ist ja nun wegen eines Bandscheibenschadens auf unbestimmte Zeit außer Gefecht gesetzt und plötzlich wird jede Aktion seines Stellvertreters im Brennglas zerlegt. Weil die Azzurris genau wissen, dass die WM-Titel 1982 und 2006 eben auch ein Verdienst ihrer stilprägenden Ballfänger waren.

Und Marchetti soll nun über Nacht und mit dem Spiel gegen Neuseeland in Nelspruit am Sonntag (16 Uhr/ARD) zu einem neuen Dino Zoff oder Buffon aufsteigen. Aber ist das wirklich wichtig für ihn? Marchetti kommt dieser Tage nicht darum herum, seine Lebensgeschichte zu erzählen. "Vor fünf Jahren habe ich dem Tod ins Auge gesehen, das hat mein Leben verändert", sagt er.

Wie durch ein Wunder überlebte er damals einen schweren Autounfall. "Ein schreckliches Erlebnis. Manchmal sehe ich heute noch die Flammen vor mir. Ich konnte mich im letzten Moment retten, weil ich das Fenster zerschmetterte." Zwei seiner damaligen Teamkollegen hatten weniger Glück. Andrea Tagliaferri und Francesco Varrenti, Fußballer und Marchettis beste Freunde, kamen 2004 und 2006 bei Autounfällen ums Leben. Bei letzterer Tragödie saß auch Buffons Schwester Veronica im Wagen, sie kam mit leichten Verletzungen davon. So etwas prägt. Zumal der Torwart von Cagliari Calcio nie so im Rampenlicht stand wie die meisten Mitspieler der aktuellen italienischen Mission am Kap.

Den vierfachen Welttorhüter Buffon bat er vor vier Jahren noch in einem Turiner Restaurant um ein Autogramm. Er spielte damals nur in der vierten Liga; sein Arbeitgeber, der AC Turin, verlieh ihn immer wieder an alle möglichen Vereine. Die ersten wirklich wichtigen Komplimente verdiente er sich erst 2007 bei UC Albino Leffe, als er in der Serie B gegen das strafversetzte Juventus Turin ein 1:1 festhielt. Danach lieh ihn Cagliari aus, um ihn 2009 fest zu verpflichteten. Längst hat er sich in der Serie A einen Namen als Ruhepol gemacht, für den sich angeblich Milan oder Juventus interessieren sollen. In Turin würde er Buffon dann sogar auf allen Ebenen beerben. Trainer Marcello Lippi sorgt sich jedenfalls wegen dieser Personalie angeblich nicht. Vielleicht weil keines der sechs Länderspiele, die Federico Marchetti bisher bestritt, für Italien verloren gingen.

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