Wenn der Alltag nicht mehr allein zu meistern ist

Saarbrücken. Alina D. (Name geändert) ist blind. Lesen und schreiben in deutscher Sprache beherrscht sie kaum. "Ich habe Probleme, mein Leben allein zu regeln. Ohne eine Betreuerin schaffe ich es nicht", sagt die in Moskau geborene jüdische Einwanderin, die seit 13 Jahren in Saarbrücken lebt

 Wer alt und ohne Familie ist oder psychisch erkrankt, kommt manchmal mit seinem Alltag nicht mehr zurecht. Berufsbetreuer regeln dann die Angelegenheiten. Foto: Oliver Berg/dpa

Wer alt und ohne Familie ist oder psychisch erkrankt, kommt manchmal mit seinem Alltag nicht mehr zurecht. Berufsbetreuer regeln dann die Angelegenheiten. Foto: Oliver Berg/dpa

Saarbrücken. Alina D. (Name geändert) ist blind. Lesen und schreiben in deutscher Sprache beherrscht sie kaum. "Ich habe Probleme, mein Leben allein zu regeln. Ohne eine Betreuerin schaffe ich es nicht", sagt die in Moskau geborene jüdische Einwanderin, die seit 13 Jahren in Saarbrücken lebt. Françoise Knaack-Hitti (Foto: Rannenberg) ist seit Mitte August ihre gerichtlich bestellte Berufsbetreuerin. "Am Anfang einer Betreuung ist es nicht leicht, alle Fäden wieder aufzunehmen", sagt Knaack-Hitti, über den Aktenordner mit den Unterlagen ihrer Klientin gebeugt. Vor allem verwaltet sie das Bankkonto der 72-Jährigen. "Ich muss im Interesse und zum Wohle der Betreuten handeln", sagt die Berufsbetreuerin. Sie sei ihre eigene Chefin, sagt die Diplom-Pädagogin, doch entbinde sie das nicht von der Pflicht, den Amtsgerichten in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen.Wichtig ist der 60-Jährigen, dass sie und ihre Kollegen darauf achten, eine Betreuung verantwortungsvoll zu beenden. So dürfen Berufsbetreuer anregen, eine Betreuung aufzuheben. "Wenn in einer Betreuung alles Schwierige bearbeitet ist und in ruhiges Fahrwasser gebracht wurde, dann kann das Gericht vorschlagen, dass jemand von einem ehrenamtlichen Betreuer weiter betreut wird." Letztendlich können aber nur Richter die Betreuung aufheben.

Außer Alina D. betreut Knaack-Hitti etwa 30 Menschen im Raum Saarbrücken, Neunkirchen und St. Ingbert. In ihrem Beruf bedeute betreuen, die finanziellen Angelegenheiten zu regeln sowie Bankkonten zu verwalten. "Zum Beispiel muss ich auch Geld einteilen, damit der Betreute über den Monat kommt", erklärt sie. Des Weiteren trägt sie dafür Sorge, dass ihre Klienten gesundheitlich wohl auf sind und dass Aufenthalte in Einrichtungen und Wohnungsangelegenheiten geregelt sind. Unter den von Knaack-Hitti betreuten Personen sind psychisch Erkrankte, Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, Pflegebedürftige und sogenannte Minderbegabte, die nur eingeschränkt eigenständig sind. 18 Jahre alt ist die jüngste ihrer Klienten, die älteste 87 Jahre. Der 35-jährige Heiko D. (Name geändert) wird seit fast zehn Jahren von Knaack-Hitti betreut. "Er wird immer selbstständiger, aber er braucht noch Unterstützung im Alltag", sagt Knaack-Hitti über den jungen Mann, der in einer betreuten Wohnung der Arbeiterwohlfahrt in Völklingen untergebracht ist. Da sie sich unter anderem um die Gesundheit von Heiko D. kümmert, ist sie berechtigt, bei Krankenhäusern und Ärzten Auskunft über ihren Klienten zu verlangen. Oft spreche sie mit Heiko D. darüber, wie er sein Leben noch selbstständiger gestalten kann. Ein weiterer Schritt zu diesem Ziel: Vor Kurzem hat der frühere Drogenabhängige eine berufliche Integrationsmaßnahme in Saarbrücken begonnen. Wie lange Knaack-Hitti ihn noch betreut, ist derzeit ungewiss. Mitentscheidend ist, ob er irgendwann stabil genug sei, seinen Alltag selbst zu meistern.

HINTERGRUND

Im Saarland haben nach Auskunft des Bundesverbandes der Berufsbetreuer (BdB), Landesgruppe Saar, Ende 2010 insgesamt rund 19 300 Personen gesetzlich bestellte Berufsbetreuer und gesetzlich bestellte ehrenamtliche Betreuer in Anspruch genommen.

Von den rund 300 saarlandweit tätigen Berufsbetreuern sind derzeit 63 Mitglied in der Landesgruppe Saarland des BdB. bera

bdb-ev.de

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