Vor allem Frauen werden Opfer von Mobbing

Kreis Neunkirchen/Merzig · Beleidigt, gedemütigt oder ausgeschlossen: Mobbing hat viele Facetten und kommt in allen Berufen vor. In einer Serie beleuchtet die Saarbrücker Zeitung das Thema Mobbing von verschiedenen Seiten.

 Tratsch und Tuscheleien hinter dem Rücken, üble Nachrede, offene Schikane: Mobbing hat viele Gesichter. Foto: SZ/Archiv

Tratsch und Tuscheleien hinter dem Rücken, üble Nachrede, offene Schikane: Mobbing hat viele Gesichter. Foto: SZ/Archiv

Kreis Neunkirchen/Merzig. "Mobbing ist immer mit einer bösen Absicht verbunden, wie zum Beispiel 'Diesen Kollegen möchte ich nicht in meinem Team haben'." Bernadette Schröteler, Frauenbeauftragte des Landkreises Merzig-Wadern, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, hat sich auch zur Mediatorin ausbilden lassen. Im Landkreis berät sie Frauen, die mit Mobbing am Arbeitsplatz zu kämpfen haben. Im Schnitt suchen drei Frauen monatlich Hilfe bei ihr. Sie betont jedoch, dass der Begriff "Mobbing" heute überstrapaziert wird: "Oft handelt es sich um ungelöste Konflikte zwischen Kollegen, die dann vom 'Opfer' als Mobbing wahrgenommen werden." Ein Grund für solche Konflikte sei häufig fehlende Kommunikation. Daraus ergeben sich dann Missverständnisse.Mobbing dagegen geht über ungelöste Konflikte hinaus. Nach Experten sind Systematik und Dauer entscheidend: Das heißt, eine oder mehrere Personen greifen einen Kollegen gezielt und über einen längerem Zeitraum an. Das Ziel ist die Ausgrenzung aus dem Arbeitsverhältnis. In der Regel spricht man von Mobbing, wenn die Tyrannei über Monate geht: "Eine Faustregel sind sechs Monate", erklärt Rainer Thimmel von der Arbeitskammer des Saarlandes. Nach vier Wochen könne man nicht von Mobbing sprechen.

Bundesweit hat jeder Zehnte schon einmal Mobbing erfahren, sagt Thimmel, laut Statistik seien drei Prozent aktuell betroffen. Frauen häufiger: "Zwei Drittel der Opfer sind Frauen." Allerdings könne die Statistik etwas verfälscht werden: "Zum einen nehmen Frauen einfach häufiger an Umfragen teil." Zum anderen sei für Mobbing ein Machtgefälle typisch. Das bedeutet: Fast immer wird von oben nach unten gemobbt: "Und es ist einfach immer noch so, dass häufiger Männer in Führungspositionen inne haben."

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises weiß auch aus eigener Erfahrung, dass sich Frauen eher jemandem anvertrauen: "Sie kommunizieren diese Probleme eher als Männer. Männer sprechen es seltener aus", sagt Schröteler. Thimmel von der Arbeitskammer des Saarlandes vergleicht es mit dem Gang zum Arzt: "Wie beim Arztbesuch, werden viele Männer von ihren Frauen an der Hand zu uns geführt." Männer und Frauen gehen aber nicht nur unterschiedlich mit dem Thema um, sie mobben auch anders: "Frauen sind cleverer, ausgetüftelter", sagt Schröteler. Sie haben andere Waffen, Methoden, auf die Männer nicht kommen. "Sie setzen eher Gerüchte in die Welt und versuchen es über das soziale Ansehen", fasst Thimmel zusammen. Männer versuchen es eher über die Arbeitsleistung: "Viele machen die Leistung der Kollegen schlecht oder unterstellen sogar Fehler", erklärt er.

Versucht man Mobbingfälle weiter zu lokalisieren, stellt man fest, dass es nicht nur zwischen den Geschlechtern Unterschiede gibt, sondern auch zwischen den Branchen.

Grundsätzlich ist zwar niemand vor Mobbing sicher - es kann sowohl den Chefarzt als auch die Putzfrau treffen - doch es gibt Branchen, die häufiger betroffen sind als andere. Thimmel und Schröteler nennen dieselben Berufe, die besonders gefährdet sind: Sozialarbeiter, Ärzte, Krankenschwester/-pfleger, Erzieher. "Überall dort, wo die Arbeitsbedingungen sehr schwer sind und viel kommuniziert werden muss", erklärt Thimmel. Auch ein hoher Kundenverkehr kann Mobbing begünstigen, wie zum Beispiel im Kreditgewerbe, wo es auf die Abschlüsse ankommt. Auffallend sei zudem, dass besonders neue oder junge Kollegen gemobbt werden.

Letztendlich habe Mobbing jedoch etwas mit der Firmenpolitik zu tun, erklärt Thimmel. Daher käme es in bestimmten Betrieben gehäuft zu Fällen. Ursachen können Umstrukturierungsprozesse oder fehlende Führungsqualitäten der Chefetage sein. "Viele Führungskräfte erlangen ihre Position leider nur wegen ihrer fachlichen Kompetenz." Dabei sei die soziale Kompetenz genauso wichtig. Daran müsse sich etwas ändern.nkl

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