Wenn aus Opfern Täter werden

Karlsruhe · Dass Jugendliche immer häufiger das Internet und ihr Smartphone nutzen, um gegen Andere zu wettern, ist bekannt: Doch auch unter Erwachsenen wird Cybermobbing laut einer neuen Studie zum Problem.

Private Fotos oder Gerüchte stehen plötzlich im Internet, Beleidigungen landen anonym auf dem Handy, auf Facebook oder im E-Mail-Postfach: Cybermobbing - also Diffamierung oder Beschimpfung mittels elektronischer Medien - nimmt nicht nur unter Jugendlichen zu, sondern ist auch unter Erwachsenen inzwischen ein Problem. Das ergibt die neue Studie "Mobbing und Cybermobbing bei Erwachsenen", die vom "Bündnis gegen Cybermobbing" in Karlsruhe erstellt wurde.

Eine Frage des Alters

Das "klassische" Mobbing wie direkte Schikanen oder Diskriminierung ist den Zahlen zufolge im vergangenen Jahrzehnt signifikant gestiegen: 28 Prozent von rund 6300 Befragten über 18 Jahren berichten von Mobbing. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 klagten bei einer vergleichbaren Studie des Bundesamts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nur elf Prozent über Mobbing.

Acht Prozent haben der Karlsruher Studie zufolge schon einmal Cybermobbing erlitten. Normales Mobbing sei daher in absoluten Zahlen zwar weiterhin das größte Problem. Aber: "Wir werden es künftig erleben, dass die Zahl der klassischen Mobbingfälle zurückgeht", prognostiziert Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing. "Dafür wird Cybermobbing auch unter Erwachsenen häufiger werden." Das liege unter anderem daran, dass inzwischen eine Generation herangewachsen sei, die mit Internet und Smartphone groß geworden und damit viel vertrauter sei. "Außerdem ist es natürlich sowieso viel einfacher, im Netz zu hetzen, als jemandem am Arbeitsplatz tatsächlich den Stuhl wegzuziehen", sagte Leest. Geschieht dies anonym, liegt die Hemmschwelle noch niedriger. Im Moment hat die jüngere Generation in den Statistiken des Bündnisses noch die Nase vorn: Von den zwölf- bis 20-Jährigen, so eine Mobbingstudie unter Kindern und Jugendlichen im vergangenen Jahr, berichten 17 Prozent, bereits Opfer von Cybermobbing-Attacken geworden zu sein. In den höheren Altersgruppen fällt der Anteil laut der aktuellen Studie bis auf fünf Prozent bei Personen in der Altersgruppe über 60 Jahre.

Fast 40 Prozent der normalen Mobbing-Kampagnen dauern der aktuellen Umfrage zufolge länger als ein Jahr. Knapp drei Viertel finden im Arbeitsumfeld statt. Cybermobbing-Diffamierungen hingegen sind kürzer und halten meist maximal zwischen ein bis drei Monaten an. Zudem spielen sie sich vor allem im privaten Umfeld (59 Prozent) ab, und dabei vor allem im Freundeskreis und in der Familie. Im Arbeitsumfeld kommen nur 33 Prozent der Cybermobbingfälle vor - Täter sind dort am häufigsten ein (36 Prozent) oder mehrere Kollegen (39 Prozent). 29 Prozent gaben an, von einem Vorgesetzten gemobbt worden zu sein. Immerhin elf Prozent wurden bereits von einem Untergebenen gemobbt.

Die Studie durchleuchtet ferner, wie das Mobbing konkret vonstatten geht. 74 Prozent der Opfer sehen sich Beschimpfungen ausgesetzt. 68 Prozent klagen über die Verbreitung von Lügen und Gerüchten, 65 Prozent über Hänseleien. Bei 27 Prozent der Mobbingfälle stellten die Täter unangenehme oder peinliche Videos und Fotos ins Netz, um ihre Opfer unter Druck zu setzen.

Aus Spaß und Langeweile

Die Motive der Cybermobber sind unterschiedlich - und oft banal. 46 Prozent der Befragten, die zugaben, bereits andere gemobbt zu haben, gaben als Hauptgrund kurzerhand an, "die betroffene Person habe das verdient". Ebenfalls eine große Rolle spielen Gruppenzwang. ("weil andere das auch machen") und Rache: 33 Prozent begründen ihr Mobbing als Gegenreaktion auf eigene Erlebnisse, 24 Prozent wollen damit andere Opfer rächen. Fast jeder dritte mobbt aber einfach "zum Spaß" oder "aus Langeweile".

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