Unmut über den Zehner beim ArztGroße Mehrheit der Saar-Ärzte will notfalls Praxis schließen

Saarbrücken. Die Ärzte rüsten sich im Honorarstreit trotz eines verbesserten Angebots der Kassen für Streiks. In einer Umfrage des Hausärzteverbandes und des Facharztforums im Saarland sprachen sich 89 Prozent der niedergelassenen Ärzte dafür aus, notfalls Praxen zu schließen. Den Angaben zufolge beteiligten sich gut zwei Drittel der Praxen an der Befragung

Saarbrücken. Die Ärzte rüsten sich im Honorarstreit trotz eines verbesserten Angebots der Kassen für Streiks. In einer Umfrage des Hausärzteverbandes und des Facharztforums im Saarland sprachen sich 89 Prozent der niedergelassenen Ärzte dafür aus, notfalls Praxen zu schließen. Den Angaben zufolge beteiligten sich gut zwei Drittel der Praxen an der Befragung. "Wir haben noch nie eine so große Einigkeit und Entschlossenheit in der Ärzteschaft erlebt", sagte der Sprecher des Streik-Komitees beider Verbände, Dirk Jesinghaus. "Die Krankenkassen haben durch ihr arrogantes Verhalten das Klima langfristig beschädigt." Die nächste Verhandlungsrunde findet am 4. Oktober statt. Die Gespräche waren am 3. September unterbrochen worden, weil die Ärzte eine Honorar-Erhöhung von 0,9 Prozent für unzureichend halten. Die Kassen hatten Ende vergangener Woche rund drei Prozent geboten. kirSaarbrücken. Auch im 35. Quartal seit ihrer Einführung ist die Praxisgebühr in der Hausarztpraxis von Dr. Michael Kulas in Ittersdorf auf dem Saargau ein Aufreger. "Die Diskussion, wieso wir die Praxisgebühr verlangen, ist immer noch unendlich groß, jedes Quartal aufs Neue", berichtet der Allgemeinmediziner. Auch für ihn selbst ist die Gebühr ein Ärgernis: Der Aufwand, die zehn Euro pro Quartal für die Krankenkassen einzusammeln, Quittungen auszustellen und Zahlungserinnerungen zu verschicken, mache bis zu zehn Prozent der Bürokratie an der Anmeldung aus, schätzt der Hausarzt. Er hat in seiner Praxis deshalb Unterschriftenlisten ausgelegt. Sie sind Teil einer bundesweiten Kampagne der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). In den ersten Wochen habe bereits knapp die Hälfte der Patienten, die er pro Quartal behandelt, für die Abschaffung der Gebühr unterschrieben, sagt Kulas.

Landesweit haben die niedergelassenen Ärzte bislang 60 000 Unterschriften gesammelt. "Die hohe Zahl der gesammelten Unterschriften zeigt uns deutlich, dass der Unmut in der Bevölkerung über diese Kassengebühr groß ist", sagt KV-Chef Dr. Gunter Hauptmann. Die Aktion laufe bis Oktober, anschließend würden die Unterschriften an Politiker übergeben.

Die KV schätzt, dass jedes Praxisteam im Jahr 120 Stunden aufwendet, um die Gebühr einzubehalten und zu quittieren. "Diese Zeit kann man auch sinnvoller für die Patienten verwenden", sagt KV-Chef Hauptmann. Mehr als 4100 Euro an Bürokratiekosten entstünden dadurch. Hinzu kommt: Allein im Saarland gab es im vergangenen Jahr 16 600 Mahnverfahren gegen Patienten, die die Gebühr auch nach einer schriftlichen Erinnerung nicht entrichtet haben. Dafür hat die KV eigens eine Stuttgarter Anwaltskanzlei beauftragt. Ein Großteil der Mahnverfahren kommt laut KV aus den Krankenhäusern, denn auch für den Notdienst in der Ambulanz müssen die zehn Euro gezahlt werden.

Die Zuzahlung habe nicht den Effekt, den man sich von ihr versprochen habe - nämlich die Zahl der Arztbesuche zu senken, sagt Hauptmann: "Wir haben nur Arbeit damit, ohne dass es einen Effekt hat." Hauptmanns Idee: "Jeder Arztbesuch kostet fünf Euro." Allerdings müsse dies sozial abgefedert werden.

Auch die Kassen bezweifeln die Steuerungswirkung. Aber wer die Gebühr abschaffen wolle, müsse sagen, wie die Milliarden-Einnahmeausfälle kompensiert werden sollen, sagt der Pressesprecher des Verbandes der Ersatzkassen im Saarland, Axel Mittelbach. Im Übrigen habe sich das Verfahren des Praxisgebühren-Einzuges einigermaßen eingespielt. Zu viel Bürokratie? Mittelbach sagt, die Ärzte rechneten doch auch privat zu zahlende Individuelle Gesundheitsleistungen (Igel) mit ihren Patienten ab. "Dann dürften sie sich über das Verfahren bei der Praxisgebühr eigentlich nicht so sehr beschweren." "Die Diskussion ist immer noch unendlich groß, jedes Quartal

aufs Neue."

Hausarzt

Michael Kulas

über die Reaktion vieler Patienten

auf die Praxisgebühr

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