Richtungsweisend seit 50 Jahren

St Wendel · Auf den Tag genau vor 50 Jahren haben Eltern im Gasthaus Lindenau in St. Wendel die Kreisvereinigung St. Wendel der Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind gegründet. Heute kümmert sich die Lebenshilfe mit rund 800 Mitarbeitern um mehr als 1200 geistig und körperlich behinderte Menschen. Das Jubiläum feiert die Kreisvereinigung heute Morgen mit einem Festakt.

 Singen und Tanzen, das macht Spaß: Die Aufnahme entstand bei den Proben mit den Young Americans vergangenes Jahr. Fotos: B&K

Singen und Tanzen, das macht Spaß: Die Aufnahme entstand bei den Proben mit den Young Americans vergangenes Jahr. Fotos: B&K

Eine Gruppe behinderter Menschen und ihre Betreuer sitzen gemütlich in einem Eiscafé in der Fußgängerzone zusammen und lassen es sich schmecken. Szenenwechsel: Helfer schieben Rollstühle mit behinderten Menschen über den Weihnachtsmarkt, weitere Behinderte gehen Hand in Hand hinterher. Alle bummeln sie gemeinsam an den Ständen vorbei. Und auch beim Fastnachtsumzug marschieren Behinderte bunt verkleidet selbstverständlich in der Kreisstadt mit. Drei Beispiele von vielen aus St. Wendel . "Behinderte Menschen gehören zum Alltagsbild der Stadt dazu", freut sich Peter Schön, Geschäftsführer der Lebenshilfe in St. Wendel . "Wir wollen, dass sie als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt werden", ergänzt sein Geschäftsführerkollege Hermann Scharf: "Inklusion wird hier gelebt."

Dass dies so ist, ist der Lebenshilfe St. Wendel zu verdanken. Die ist auf den Tag genau 50 Jahre alt. Am 19. Januar 1966 gab es im Gasthaus Lindenau in St. Wendel die Gründungsversammlung der Kreisvereinigung St. Wendel der Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind. 45 Personen traten dem Verein bei. Erste Vorsitzende war Ilse Schneider aus Niederlinxweiler. Das Ziel des Vereines: "Alle Maßnahmen zu fördern, die geeignet sind, den geistig Behinderten und ihren Angehörigen unmittelbar zu helfen."

Zunächst ging es den Eltern darum, für die behinderten Menschen ein tagesstrukturiertes Programm aufzubauen. So mietete der Verein im November 1966 Räume im damaligen Mädchenrealgymnasium an und richtete eine Tagesstätte ein. Die nahm mit sechs Kindern im Juni 1967 ihre Arbeit auf, war im September mit 42 Behinderten zwischen fünf und 20 Jahren schon voll belegt. Im Herbst 1971 zog die Lebenshilfe mit Tagesstätte nach Reitscheid um. Im November 1978 wurde der erste Sonderkindergarten für geistige Behinderte eröffnet. 1984 folgte der Umzug der Lebenshilfe mit allen Einrichtungen in ein renoviertes Gebäude in Urweiler. Auch dort war es bald zu eng.

Ende 1989 kaufte die Kreisvereinigung das ehemalige Schlachthofgelände in der Werkstraße in St. Wendel , dort entsteht in den Folgejahren das Lebenshilfezentrum mit Frühförderstelle, Tagesstätte, Kindergarten und weiteren Angeboten. Bis heute wird dort immer wieder erweitert und investiert, so zum Beispiel in den integrativen Kindergarten. Die Entscheidung für das Gelände in der Werkstraße sei weitsichtig gewesen, blickt Scharf zurück: "Damit kam die Lebenshilfe mitten in die Stadt."

Der Nachfrage nach Wohnheimplätzen wird die Lebenshilfe ebenfalls gerecht. Die ersten Wohngruppen werden in der Urweiler Mühle untergebracht. Heute wohnen behinderte Menschen in mehreren Gebäuden in der Stadt, gibt es verschiedene Betreuungsformen bis hin zum fast selbstständigen Wohnen.

Das Angebot der Lebenshilfe wird immer breiter. Im Juli 2003 wird das erste Familienhilfezentrum im Landkreis eröffnet. Die Familienhilfestelle wird 2006 Partner des Landkreisprojektes der sozialraumorientierten Jugendhilfe in St. Wendel und Freisen.

Das Engagement geht über die Kreisgrenzen hinaus. Heute arbeitet die Lebenshilfe St. Wendel auch in den Landkreisen Merzig-Wadern, Birkenfeld und Kusel.

So heißt es in der Festschrift zum Jubiläum: "Aus bescheidenen Anfängen hat sich ein modernes Dienstleistungsunternehmen mit fast 20 Millionen Euro Jahresumsatz entwickelt, das für die behinderten Menschen in der Region unverzichtbar geworden ist. Heute kümmern sich rund 800 Mitarbeiter um über 1200 geistig oder körperlich behinderte Menschen." Und weiter: "Sie entlasten deren Familien und Angehörige und sorgen für die Integration der behinderten Menschen in die Gesellschaft." Das galt vor 50 Jahren und gilt auch heute.

Zum Thema:

Auf einen BlickBis 1998 hat der Verein der Lebenshilfe die Geschäfte ehrenamtlich geführt. Das ging bei einem Umsatz von fast fünf Millionen Euro und mehr als 150 Mitarbeitern nicht mehr. Eine zusätzliche hauptamtliche Struktur wurde nötig. So wurde am 1. Januar 1998 die gemeinnützige GmbH Lebenshilfe St. Wendel gegründet. Diese ist für das operative Geschäft zuständig. Geschäftsführer sind Hermann Scharf und Peter Schön.Dem Lebenshilfeverein gehören die verschiedenen Immobilien. Er ist für die grundsätzliche Weiterentwicklung zuständig. Dem Verein gehören 565 Mitglieder an, Vorsitzender ist Bernhard Müller, der auch gleichzeitig Vorsitzender des Aufsichtsrates der gGmbH ist. vf

 Blick auf das Lebenshilfezentrum in St. Wendel mit Tagesförderstätte, links, und Kindergarten.

Blick auf das Lebenshilfezentrum in St. Wendel mit Tagesförderstätte, links, und Kindergarten.

 In der Tagesförderstätte werden die Behinderten intensiv betreut.

In der Tagesförderstätte werden die Behinderten intensiv betreut.

Zum Thema:

HintergrundIn 50 Jahren Behindertenarbeit hat sich im Landkreis St. Wendel viel getan. Die Geschäftsführer Peter Schön und Hermann Scharf benennen aber auch zwei Baustellen für die kommenden Jahre. "Wir brauchen noch ein kleines Wohnheim", so Schön. Der Bedarf sei vorhanden. Auch müsse man für die Behinderten, die nicht in Werkstätten arbeiten können, aber auch nicht in der Tagesförderstätte betreut werden müssten, einen speziellen Arbeitsförderbereich schaffen. Hier sei der Betreuungsaufwand höher als in einer Behindertenwerkstatt. vf

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