„Wir werden weniger und älter“

St Wendel · Die Zahl der älteren Menschen im St. Wendeler Land wächst. Und damit auch die Angebote und Hilfen für diese Bevölkerungsgruppe. In einer Serie, die einmal in der Woche erscheint, beleuchtet die SZ die verschiedenen Facetten des Lebens im Alter. Zum Auftakt werfen wir einen Blick auf die aktuelle Lage in der Region.

 Gemeinsames Kochen und Essen: Ältere Menschen, die noch alleine leben, freuen sich über den Besuch von ihren Kindern oder Enkeln. Symbolfoto: dpa/Friso Gentsch

Gemeinsames Kochen und Essen: Ältere Menschen, die noch alleine leben, freuen sich über den Besuch von ihren Kindern oder Enkeln. Symbolfoto: dpa/Friso Gentsch

Petra Müller ist 85 Jahre alt und lebt seit dem Tod ihres Mannes alleine in dem großen Haus in dem alten Ortskern ihres kleinen Dorfes. Eine Tochter hat im Nachbarort gebaut, besucht die rüstige Rentnerin mehrmals in der Woche, unterstützt ihre Mutter. Soweit es geht, bewältigt Petra Müller ihren Alltag noch alleine. In ihrer Straße stehen schon zwei Häuser leer, spielende Kinder sind eine Seltenheit. Der Charakter des Dorfkernes hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert.

Was Petra Müller (der Name ist erfunden, ihr Beispiel ist aber eines von vielen) in ihrer Straße erlebt, ist eine Folge des demografischen Wandels in Deutschland. Und davon ist auch das St. Wendeler Land nicht ausgenommen. "Wir werden weniger und älter", beschreibt Landrat Udo Recktenwald die Situation. Und nennt Zahlen: Lebten im Landkreis St. Wendel im Jahr 1994 noch 95 786 Menschen, weist das Statistische Landesamt zum 30. September 2013 lediglich noch 88 802 Einwohner aus, ein Rückgang um 6984.

Der Rückgang der Einwohnerzahl führt zu Problemen in den Kommunen. Die Steuereinnahmen gehen zurück, gleichzeitig muss die Infrastruktur bewirtschaftet werden, zum Beispiel die Trinkwasser- und Abwasserleitungen sowie die Straßen. Firmen fehlen Fach- und Arbeitskräfte.

Hinzu kommt die zunehmende Überalterung der Bevölkerung. Und damit steigt auch die Zahl der pflegebedürftigen Menschen. Waren es im St. Wendeler Land 2005 noch 607 ambulant versorgte Pflegebedürftige, stieg die Zahl 2001 bereits auf 896. "Mittlerweile liegen wir bei weit über 900 Menschen mit Pflegestufe, die zu Hause mit Unterstützung eines ambulanten Dienstes versorgt werden", berichtet Benedikt Schäfer, Sozialdezernent des Landkreises. Insgesamt leben im Landkreis St. Wendel 3346 Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten.

Auf der anderen Seite gibt es viele Senioren , die bis ins hohe Alter fit und aktiv sind, die sich sinnvoll engagieren wollen. Hier führen laut Udo Recktenwald das Seniorenbüro des Landkreises und die Ehrenamtsbörse Gleichgesinnte zusammen. Zu diesen zählt auch Petra Müller . Seit Jahrzehnten singt sie im Kirchenchor, besucht auch heute noch regelmäßig den Kaffeenachmittag der Frauengemeinschaft.

Allerdings merkt die Seniorin, dass ihr die tägliche Hausarbeit immer schwerer fällt. Über kurz und nicht mehr lang braucht sie professionelle Hilfe. Rat könnte sie beim Pflegestützpunkt des Landkreises finden. Die Experten dort kümmern sich um alle Fragen rund um die Pflegebedürftigkeit und vermitteln verschiedene Hilfen. "Unser Ziel ist es, dass die älteren Menschen so lange wie möglich in ihrem häuslichen Umfeld bleiben können", betont Landrat Udo Recktenwald. Heute werden zwei Drittel der zu betreuenden Senioren noch zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Allerdings mit abnehmender Tendenz. Recktenwald: "Die Anforderungen in der Altenpflege sind enorm gestiegen."

Immer mehr Menschen verbringen deshalb ihren Lebensabend in einem Seniorenheim. Die Angebote dort sind vielfältig, reichen von betreutem Wohnen und Kurzzeitpflege über die Tagesunterbringung bis zum voll stationären Heimplatz. Insgesamt bieten im Landkreis St. Wendel mittlerweile 15 Pflegeeinrichtungen rund 1010 Plätze an. Damit liegen Nachfrage und Angebot deutlich höher als im Landespflegeplan ausgerechnet. Dieser Plan ging von 682 Plätzen aus.

Größer wird dabei auch die Zahl von Demenzkranken. Das Risiko steigt nämlich mit dem Alter. Demenzkranke brauchen eine besonders intensive Hilfe. Das Anfang des Jahres gegründete Demenznetzwerk im Landkreis St. Wendel, will gerade die Situation der Kranken und deren Angehörigen verbessern. Im St. Wendeler Land sind nach Schätzung der Kreisverwaltung zurzeit 2600 Menschen an Demenz erkrankt.

Trotz des Ausbaus der professionellen Angebote. Ehrenamtliches Engagement spielt bei der Betreuung älterer Menschen eine bedeutende Rolle. Nachbarschaftshilfe im Dorf, Dorfhelfer, soziale Treffpunkte, Mitfahrbörse, frühzeitige Hilfen im Alltag, nennt der Landrat einige Zielsetzungen. Positive Beispiele gibt es schon wie die Muske(l)tiere im Bohnental.

Für Udo Recktenwald lautet hier die Frage: "Was kannst Du tun, welchen Beitrag kannst Du leisten, dass der Einzelne möglichst lange im eigenen Haus bleiben kann." Über solche Unterstützung freut sich auch Petra Müller . So fragt eine Nachbarin in schöner Regelmäßigkeit: "Petra, ich fahre in die Stadt zum Einkaufen? Soll ich Dir was mitbringen?" Eine kleine Sache für die Nachbarin, eine große Hilfe für die 85-Jährige.

 Für ältere Frauen, die ihr Leben selbstständig gestalten möchten, kann beispielsweise der Weg in die Stadt oder der Einkauf beschwerlich sein. Symbolfoto: dpa/Franziska Kraufmann

Für ältere Frauen, die ihr Leben selbstständig gestalten möchten, kann beispielsweise der Weg in die Stadt oder der Einkauf beschwerlich sein. Symbolfoto: dpa/Franziska Kraufmann

Zum Thema:

Auf einen BlickPflegestützpunkt, Seniorenbüro, Ehrenamtsbörse sind drei Einrichtungen des Landkreises, die sich um ältere Menschen kümmern. Hinzu kommt in finanziellen Fragen das Sozialamt. Mit Thomas Gebel hat der Landkreis zudem seit 2008 einen eigenen Demografiebeauftragten.Darüber hinaus gibt es im St. Wendeler Land folgende Angebote und Ansprechpartner für Senioren :Ehrenamtliche Sonderbeauftragte in den Gemeinden Namborn, Nohfelden, Nonnweiler und TholeyEhreamtliche Behindertbeauftragte in allen KreisgemeindenEhrenamtliche Dienstleistungsagentur Menschen für Menschen in TholeyEhrenamtsprojekt Bohnentaler Muske(l)tiere (Fahrdienste, Hilfsdienste und mehr?Kliniken Geriatrie und Psychiatrie am Marienkrankenhaus St. Wendel15 stationäre Altenhilfe- und Pflegeeinrichtungen13 ambulante DiensteAmbulantes und stationäres HospizWohnraumberatungsstelleZahlreiche Fahrdienste, Einkaufsdienste, Hauswirtschaftsdienste, Mahlzeitendienste, Agenturen für haushaltsnahe ArbeitPalliativangeboteHausärzte, Fachärzte, Therapeuten(Quelle: Landkreis St. Wendel) vf

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