Normal leben mit Zucker"Weltweit kommt ein starker Anstieg"

Neunkirchen · Die Anzahl der von Diabetes betroffenen jungen Menschen steigt. Der Kinder- und Jugend-Diabetikertag im Fliedner-Krankenhaus Neunkirchen bot betroffenen Kindern und Jugendlichen, sowie deren Eltern ein Forum zum Informieren, Diskutieren und Kennenlernen.Professor Dr. Matthias Frank ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Diabetes am Fliedner-Krankenhaus Neunkirchen. SZ-Mitarbeiterin Anika Meyer sprach mit ihm über seine Erfahrungen als behandelnder Arzt vieler betroffener Kinder und Jugendlichen.

Neunkirchen. "Wir wollen, dass junge Diabetiker gleichberechtigt an allen Veranstaltungen in Kitas und Schulen teilnehmen können", sagte Saar-Gesundheitsminister Andreas Storm. Er begrüßte als Schirmherr am Samstag die Besucher des achten Saarländischen Kinder- und Jugend-Diabetikertages im Fliedner-Krankenhaus Neunkirchen und betonte, die Landesregierung unterstütze die Fortbildung von Lehrkräften im Umgang mit den jungen Diabetikern. Beteiligt am Diabetikertag waren das gastgebende Krankenhaus, insbesondere der Chefarzt für Innere Medizin und Diabetes, Professor Matthias Frank, sowie der Landesverband des Deutschen Diabetikerbundes, das Diabetes-Netzwerk Saarland und die Techniker-Krankenkasse.Um Normalität zu gewährleisten, müssen Institutionen, Eltern und Ärzte Hand in Hand arbeiten. "Der Erfahrungsaustausch ist dabei besonders wichtig. Heute können Eltern und Kinder Kontakte zu Anderen mit dem gleichen Schicksal knüpfen", sagte Jürgen Peter Weigt vom Diabetes-Netzwerk Saarland.

Für Eltern wurde ein Workshop zu Ängsten, Zielen und Erwartungen angeboten, für Jugendliche ein Selbstbehauptungskurs mit der Ewto-Schule Sulzbach. Ein von Diabetes betroffener Triathlet übte mit den Kindern das Abschätzen von Lebensmitteln, Firmen berieten über Blutzuckermessung und Insulinverabreichung. Vorgestellt wurden der Pen, ein Gerät in Form eines Kugelschreibers zur Injektion einer voreingestellten Insulinmenge und die Insulinpumpe. "Die Industrieausstellung hat eine Verbesserung der Versorgung der Kinder zum Ziel. Wir wollen zeigen, was es an Neuerungen gibt", so Karl Zang vom Deutschen Diabetikerbund.

Eine derer, die an den Ständen entlang schlenderten, war die zwölfjährige Julia Maas. Sie ist seit dem dritten Lebensjahr vom Diabetestyp 1 betroffen. "Meistens kann ich dasselbe machen, wie die anderen Kinder auch. Nur muss ich beim Herumtoben regelmäßig eine Pause einlegen." Dann misst Julia ihren Blutzucker und nimmt gegebenenfalls Traubenzucker zu sich. Bei Ausflügen oder Schullandaufenthalten, wenn sie auf sich allein gestellt ist, bedeutet dies für die Eltern die Sorge, ob denn auch alles klappt. Ein wenig wurde Julias Alltag immerhin schon erleichtert: "Seit ich die Insulinpumpe habe, ist es sehr viel besser!"

Eine Anlaufstelle für Kinder mit Diabetestyp 1 und deren Eltern bietet das Diabetes Netzwerk Saar unter Telefon (0160) 25 51 51 0 oder per E-Mail an diabetes1kontakt@web.de. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Vereines: www.diabetes1kontakt.de

Wie äußert sich der Diabetestyp 1, von dem Kinder und Jugendliche meist betroffen sind? Bei welchen Anzeichen sollten Eltern reagieren?

Frank: Die Kinder lassen auffallend viel Wasser. Der Körper trocknet dadurch aus und verliert an Gewicht. Eine solche Reaktion kann ganz unerwartet auftreten, denn so lange noch genügend insulinproduzierende Zellen vorhanden sind, gibt es keine Warnzeichen. Ist jedoch eine bestimmte Prozentzahl dieser Zellen abgestorben, steigt der Blutzuckerspiegel dann relativ schnell an.

Gibt es auch eine psychische Komponente?

Frank: Auf alle Fälle. Stress wirkt sich nachteilig aus. Darum ist es wichtig, dass Betroffene gut eingebettet sind in ein gesundes Umfeld und selbst einen Weg finden, mit der Situation zurechtzukommen. Kinder mit Diabetes sollten auch mal herumtoben dürfen und das Gefühl vermittelt bekommen, normal zu sein. Natürlich bedeutet das Kontrollieren des Blutzuckerspiegels anfangs für Eltern einen anstrengenden 24-Stunden-Job. Mit der Zeit jedoch sollte jedes Kind zu seinem eigenen Diabetesmanager werden.

Wie stark wird Diabetes die Gesellschaft und die Forschung in Zukunft beschäftigen?

Frank: Diabetes wird das große Thema unseres Jahrhunderts werden und zwar weltweit. Auch der Typ 1, bei dem nicht wie beim Typ 2 Übergewicht und Bewegungsmangel verantwortlich sind, steigt stark an. Als Ursachen werden in der Forschung mehrere Faktoren diskutiert, allerdings scheint keiner allein überzeugend. Wir gehen von einem multifaktorellen Geschehen aus. Eine Rolle spielen sicherlich ein Zuviel an Hygiene und vor allem die durch den Menschen verursachte Umweltbelastung.Foto: Meyer

Hintergrund

Diabetes mellitus, landläufig als Zuckerkrankheit bezeichnet, ist ein Sammelbegriff für verschiedene Stoffwechselstörungen, deren Hauptmerkmal ein erhöhter Blutzuckerspiegel ist. Es wird unterschieden zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2. Bei Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunreaktion: Durch einen nicht endgültig bekannten Auslöser wird das Immunsystem zum Abtöten der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse gebracht. Bei Typ 2 produziert die Bauchspeicheldrüse zumindest anfangs genug Insulin. Die Körperzellen sind jedoch immun geworden gegen das körpereigene Insulin und können so ebenfalls den Zucker aus dem Blut nicht ausreichend aufnehmen. ani

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