Comic-Lesung Tragische Geschichte, aber mit Witzen

Diefflen · Comic-Lesung im Drachenwinkel in Diefflen: Der „Freistaat Flaschenhals“ in Wort und Bild.

 Endlich ein neuer Kissel: Christian Job, Radio-Moderator bei SR3, der Zeichner Bernd Kissel und Textautor Marco Wiersch (von links) lasen in Diefflen aus „Freistaat Flaschenhals“.

Endlich ein neuer Kissel: Christian Job, Radio-Moderator bei SR3, der Zeichner Bernd Kissel und Textautor Marco Wiersch (von links) lasen in Diefflen aus „Freistaat Flaschenhals“.

Foto: leis/Tina Leistenschneider

 Sie zischen wiederholt ins Mikrofon, wenn der Zug über die Schienen rollt, und singen Lieder, als hätten sie ein paar Gläser Schnaps intus, um ihren Figuren und ihrer Welt Leben einzuhauchen. Eine Welt, die auf dem Papier stumm ist, doch wenn sie erzählt wird, Laute annimmt.

Laute, die für gewöhnlich bei einer Buchlesung nicht imitiert werden, doch bei einer Comic-Lesung unabdingbar erscheinen, um das Geschehen auf den Einzelbildern abseits der Dialoge zu vermitteln. Mit dieser geräuschvollen Hingabe stellten Autor Marco Wiersch und Zeichner Bernd Kissel zusammen mit SR3-Radiomoderator Christian Job den neuen Kissel vor: „Freistaat Flaschenhals“ heißt der Comic, der jetzt in der Buchhandlung Drachenwinkel in Dieflen Comicliebhabern präsentiert wurde.

Auf 208 Seiten erzählen die beiden die Geschichte des Freistaates, der auf einer kartografischen Nachlässigkeit beruht. Um eine Wiederaufrüstung nach dem Ersten Weltkrieg zu verhindern, zeichnet der alliierte Oberbefehlshaber Ferdinand Foch einen rechtsrheinischen Halbkreis mit einem Radius von 30 Kilometern um Köln, Koblenz und Mainz. Dabei bleibt ein kleiner Streifen Land übrig, das wie ein Flaschenhals aussieht. „Man ging davon aus, dass sich die Halbkreise überschneiden“, sagt Wiersch, „alle Befehlshabenden, die im Comic vorkommen, basieren auf echten Personen.“

Die Idee verdankt er seinen Eltern. Die waren in der Region unterwegs, entdeckten ein altes Schild mit dem „Freistaat Flaschenhals“ und ließen sich vom Wirt alles erzählen. „Ich wollte selbst darüber lesen, fand aber nichts. Also dachte ich: Muss ich das selber machen.“ Gesagt, getan. Mit verstellten Stimmen und in wechselnden Sprecherrollen führte das Trio Bild für Bild durch den Alltag und das Ende des Freistaates, schildert Entstehungs- und Arbeitsprozesse. „Mir war es wichtig, überall Witze einzubauen, wo es ging, weil die Geschichte so tragisch ist“, sagte Wiersch.

Deutlich wird der „Asterix-Flair“ im Freistaat: „Die Bewohner sind widerspenstig und hängen an ihrer Heimat. Gleichzeitig geht es um die negativen Seiten des Patriotismus, der in die NS-Zeit umschlägt, und die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich“, sagt Wiersch. Wie Regisseur und Kameramann in einem setzte Kissel die Vorstellungen von Wiersch visuell in Szene, wobei er sich am Stil alter Schwarz-Weiß-Fotos orientierte, und versuchte so originalgetreu wie möglich zu sein. Das filmische liegt dem Beruser, hört er doch beim Zeichnen oft Filmmusik. Was ihn bei „Freistaat Flaschenhals“ begleitete? „Die Soundtracks von Gesprengte Ketten und Monuments Men. Die liefen rauf und runter.“

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