Eintauchen ins Leben der Soldaten am Westwall

Für die reizvolle Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete, dürfte der Mann in dem Sechs-Schartenturm kaum einen Blick gehabt haben. Seine Aufgabe: den Bunker zu verteidigen und aus vollen Rohren zu schießen

Für die reizvolle Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete, dürfte der Mann in dem Sechs-Schartenturm kaum einen Blick gehabt haben. Seine Aufgabe: den Bunker zu verteidigen und aus vollen Rohren zu schießen. Damit ihm nicht das Trommelfell platzte, trug der Soldat Ohrenschützer - ein Detail, das die Renovierer des Bunkers besorgt haben, ebenso wie das Funkgerät, über das der "Mann im Turm" seine Anweisungen erhielt.Etwas Puste braucht's schon, um in den Raum unter der 40 Tonnen schweren Kuppel zu gelangen - zunächst über eine Leiter, danach über Eisensprossen, die in die Wände eingelassen sind. Selbst an die Farben und Nummern an der Decke haben die Ehrenamtlichen des Heimat- und Kulturvereins gedacht, diese Strich für Strich nachgepinselt - alles originalgetreu, versteht sich. Aus einem satten Blau ragt die schwarze Sechs in einem weißen Kreis hervor, aus leuchtendem Gelb die Fünf und aus einem Lindgrün die Vier. Auch die Vorrichtung, um die MG-Lafette in der Kuppel um 360 Grad zu drehen, funktioniert wieder - eine von zig Aufgaben, die sich Axel Jungmann und seine wackeren Mitstreiter in dem Bunker auf dem Beckinger Pfaffenkopf gestellt haben. Nach fünf Jahren Renovierung sieht der Regelbau 114 a aus, als hätten ihn die zwölf Mann gerade so eben verlassen. Und, was die Männer freut: Der Bunker steht auf Liste der denkmalgeschützten Gebäude - als Einzeldenkmal. Zur Einweihung des neuen Museums in dem idyllischen Wohngebiet am Samstag, 6. August, und Sonntag, 7. August, lassen die Macher es kräftig krachen - mit Musik und einer Ausstellung von historischen Militärfahrzeugen.

"2000 Kubikmeter Beton wurden in dem Bunker verarbeitet, 160 Tonnen Eisen, Wand und Decken sind 3.50 Meter stark", beschreibt der Heimatforscher Axel Jungmann den Teil des Bollwerkes, der zum Westwall zählt.

Eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit möchte man nach seiner Darstellung erreichen, "Geschichte erlebbar machen, bevor die falschen Leute auf solche Gedanken kommen", wie er sagt.

So krempelten er und seine Mitstreiter die Ärmel hoch und machten sich an die Arbeit, das Bauwerk aus dem Jahr 1940 auf Vordermann zu bringen: in mehr als 1000 Stunden. "Achtung, Feind hört mit", warnt ein Schriftzug über den Funkgeräten, ein anderer mahnt: "Vor dem Öffnen der Scharte Licht aus". Laubgrün getüncht ist der Eingang zu dem Bau, der tief in die Erde geht - eine Tarnfarbe", wie Axel Jungmann sagt. Dicht an dicht reihen sich in einem kleinen Raum die Hängematten aneinander - Aufenthaltsraum und Schlafplatz zugleich. "Es war schon eine Qual für die Leute auf engstem Raum zusammengepfercht zu sein - und das über Wochen."

Ob Klappstühle, Tisch oder Essgeschirr: Alles ist authentisch. "Wir haben alle Einrichtungsgegenstände und Waffen aus dieser Zeit in ganz Europa zusammengesucht - von Norwegen bis zur Biskaya", verrät der Heimatforscher. Ob Karbidlampen oder Bolleröfchen: Leute aus der Gemeinde Beckingen spendeten. "Im Museum stehen die sensible Darstellung der Eigengeschichte des Regelwerkes 114 a, die Innenrekonstruktion und die seriöse Aufarbeitung der Geschichte des Westwalls im Vordergrund." Keinesfalls soll diese menschenverachtende Ideologie verherrlicht werden.

Hintergrund

Durch Beckingen führte die Hauptkampflinie mit ihren bis zu fünf Kilometern tief gestaffelten Befestigungsanlagen. In Erbringen, Honzrath und Düppenweiler standen und stehen noch heute die Relikte dieser Zeit. Der Ort wurde zu einer der am stärksten befestigten Gebiete innerhalb des gesamten Westwalls. "Von den 150 Bunkern in der Gemeinde Beckingen sind heute noch 22 Bunker, Reste einer Höckerlinie und einige Stollen erhalten", sagt der Heimatforscher Axel Jungmann dazu. "Selten, wenn nicht gar einmalig dürfte sein, dass die zweite Bunkerlinie des Westwalls zwischen dem Bahnhof Beckingen und dem Ortsausgang Richtung Dillingen komplett erhalten geblieben ist."

Mit Hilfe der Gemeinde Beckingen hat es sich der Kultur- und Heimatverein zur Aufgabe gemacht, diesen Abschnitt der ehemaligen Westbefestigung vorbei an 15 der so genannten Regelbauten erwanderbar zu machen. mst

Auf einen Blick

Die Haupt-Helfer: Wilhelm Ehrl, Ralf Bettenfeld, Dirk Bettenfeld, Axel Jungmann, Edmund Elenz, Horst Schwarzenberger, Timo Seiwert, Sami Scholer, Dustin Scholer und Jan Minninger.

Programm zur Einweihung: Samstag, 6. August, 14 Uhr: Schlüsselübergabe an Bürgermeister Erhard Seger. Sonntag, 7. August, elf Uhr: Konzert, ganztags: Ausstellung historischer Militärfahrzeuge. mst

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