75. Todestag von Willi Graf „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“

Saarbrücken · (vod) „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewalttaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa. Unterstützt die Widerstandsbewegung, verteilt die Flugblätter!

 Dieses Porträt des Widerstandskämpfers Willi Graf hängt im Saarbrücker Rathaus. Er wurde vor 75 Jahren von den Nazis hingerichtet.

Dieses Porträt des Widerstandskämpfers Willi Graf hängt im Saarbrücker Rathaus. Er wurde vor 75 Jahren von den Nazis hingerichtet.

Foto: Landeshauptstadt

“ Mit diesen Worten schließt ein Flugblatt der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose. Der Hauberrisser Saal im Saarbrücker Rathaus war voll, die Stühle reihten sich fast bis zur Wand. Es war still, während Hildegard Kronawitter aus dem Flugblatt las. Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen anlässlich des 75. Todestages des Saarbrücker Ehrenbürgers Willi Graf eröffnete die Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung am Freitag eine Wanderausstellung: „Weiße Rose. Der Widerstand von Studenten gegen Hitler 1942/43“ ist bis zum 31. Januar im Rathaus zu sehen.

Die Ausstellung informiert mit Aussagen von Zeitzeugen und Angehörigen über die Widerstandsgruppe und Willi Graf, der am 2. Januar 1918 in Kuchenheim bei Euskirchen geboren wurde. 1922 siedelte die Familie nach Saarbrücken über. Willi Graf schloss sich später in München der Widerstandsgruppe Weiße Rose an. Seinen Einsatz bezahlte er mit dem Leben: Am 12. Oktober 1943 wurde er im Alter von 25 Jahren hingerichtet. Den Widerstand gegen die Diktatur der Nazis gab er nicht auf, obwohl er sich der Folgen bewusst war. „Es muss doch etwas getan werden, auch wenn es den Kopf kosten sollte“, soll Willi Graf gesagt haben.

Die Redner waren sich am Freitag einig, dass es ein besonderes Gedenkjahr ist. Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz hob die Aktualität des Themas hervor. Sie erwähnte den Aufmarsch von AfD-Mitgliedern und Pegida in Chemnitz, die das Symbol der Weißen Rose für ihre Zwecke missbraucht hätten. Menschlichkeit, Würde und Respekt seien die Werte der Widerstandsbewegung, die weitergetragen werden müssten, sagte Britz im Beisein von Willi Grafs Neffen, Joachim Baez.

Dechant Benedikt Welter zeigte sich besorgt. Es gehöre zur Strategie rechter Kreise, Zeichen und Wörter zu vereinnahmen und neu zu besetzen. Deren „Widerstand“ richte sich nicht mehr gegen eine Diktatur wie die nationalsozialistische, sondern gegen die demokratische Grundordnung. Er sprach Bewunderung für die „innere Klarheit“ aus, mit der Willi Graf seinen Weg bis zum bitteren Ende ging und auch den Klerus seiner Zeit durchschaut habe.

Diese Klarheit nimmt sich die jüngere Generation zum Vorbild. Nea Hoffmann führt Gruppen von Jugendlichen durch die Ausstellung. Die Schülerin des Saarbrücker Willi-Graf-Gymnasiums ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Die 15-Jährige setzt auf einen offenen Austausch: So will sie Jugendlichen den Zugang zur Geschichte der Weißen Rose erleichtern. „Wir sind schon weiter vom Krieg entfernt. Aber was damals passiert ist, darf nicht in Vergessenheit geraten in der heutigen Zeit. Viele reden immer nur darüber, aber man muss mehr tun“, sagte Hoffmann. Mit Freunden und Gleichgesinnten steht sie für das neue Europa ein, das die Weiße Rose beschwört.

„Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“ – dieser Ausspruch Willi Grafs ist in den Augen von Dechant Welter besonders wichtig. Institutionen wie die Kirche seien immer gefährdet, der Versuchung der Zeit zu erliegen, da ihnen Selbstdistanz schwerfalle. Es komme auf den einzelnen Menschen an, der sich selbst Gedanken machen müsse.

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