So will St. Ingbert "sanften Verkehr" fördern

St. Ingbert. Martin Ruck hat sich einem Zukunftsthema zugewandt. Der St. Ingberter Baudirektor will sich der Verkehrssituation der Mittelstadt annehmen. Als sei die Sache an sich nicht schon kompliziert genug, schwebt Ruck ein "partizipatorischer Prozess" vor. Will sagen: Der Bürger soll ein gewichtiges Wort mitreden bei den Planungen für die kommenden Jahrzehnte

 Enes Mohammed, 2, hat in der Fußgängerzone schon mal freie Fahrt. Foto: Pascal Becher

Enes Mohammed, 2, hat in der Fußgängerzone schon mal freie Fahrt. Foto: Pascal Becher

St. Ingbert. Martin Ruck hat sich einem Zukunftsthema zugewandt. Der St. Ingberter Baudirektor will sich der Verkehrssituation der Mittelstadt annehmen. Als sei die Sache an sich nicht schon kompliziert genug, schwebt Ruck ein "partizipatorischer Prozess" vor. Will sagen: Der Bürger soll ein gewichtiges Wort mitreden bei den Planungen für die kommenden Jahrzehnte. Die Auftaktveranstaltung "Stadt für alle" (die SZ berichtete) brachte jüngst interessierte Bürger und Interessensverbände zusammen, um Ideen zu sammeln, wie der Verkehr auf den Straßen rollen soll und wie ein Weniger an motorisiertem und ein Mehr an unmotorisiertem Verkehr möglich ist. Die Komplexität des Themas macht der Abteilungsleiter auch mit dieser Äußerung deutlich: "Verkehrsentwicklung ist Stadtentwicklung."Die Planungen der Vergangenheit waren nach Rucks Worten nicht zielführend. Von einer "stadträumlichen Trennung" spricht er. Arbeiten, Einkaufen, Sport - alles wurde fein säuberlich getrennt und in unterschiedlichen Quartieren mehr oder minder zusammengefasst. Dazwischen bevorzugt reine Wohngebiete. Nach seinem Dafürhalten ein Fehler: "Diese Planung ist ursächlich dafür, dass der motorisierte Verkehr so zugenommen hat." Um den sanften Verkehr zu stärken und die Straßen quasi dem Menschen zurückzugeben, müsse der gegenteilige Weg eingeschlagen werden. Ruck: "Die Mischgebiete müssen wieder zur Regel werden." Das Schlagwort der kurzen Wege sei zwar relativ abgedroschen, aber "so wichtig wie noch nie".

Denn das Thema Straßenverkehr weist über sich selbst hinaus. Neben der Frage, wie wir uns fortbewegen wollen, berührt es den Klimaschutz genauso wie die demographische Entwicklung. Eine alternde und schrumpfende Bevölkerung braucht angepasste Verkehrskonzepte. Das Ziel ist für Ruck klar: Weniger klimaschädliche Gase, weniger motorisierten Individualverkehr. Fußgänger und Radfahrer sollen eine stärkere Lobby bekommen, kurze Wege ein Umsatteln attraktiv machen.

"Das ist ein langfristiger Prozess", sagt der Verwaltungsmann, "die Früchte werden wir vielleicht gar nicht mehr selbst ernten." Da jeder Bürger Verkehrsteilnehmer sei, müsse jeder als Experte mitreden können. Deshalb setzt Ruck auf die Entwicklung des Projektes "Stadt für alle".

Das klingt alles sehr abstrakt. Aber der Baudirektor hat auch ganz konkrete Ansätze. Der Ringverkehr um die Stadt werde von vielen Bürgern als umständlich beschrieben. Deshalb gelte es die Diskussion um Zweirichtungsverkehr in Kohlen- und Poststraße wieder zu entfachen. Und Ruck nimmt die Haupteinfallsstraßen St. Ingberts ins Visier. Von einer "kritischen Belastung" dieser Verkehrsachsen spricht er. Sollen sie nicht zu Geisterstraßen werden, in denen leere Häuser verfallen, müsse gegengesteuert werden. "Wir müssen diese Straßen qualitativ aufwerten", sagt er. Gleichermaßen kritisch seien die Ortsdurchfahrten der Stadtteile. Besonders Rohrbach und Rentrisch spricht er dabei an. In diesen Straßen müsse es zu Entschleunigung kommen, auch zu Verlagerungen von Verkehr. Wobei Verlagerung weg von St. Ingberter Straßen Belastung in anderen Orten bedeutet. Das Thema ist in der Tat nicht einfach, weiß Ruck: "Eine Generalverkehrsplanung für eine Stadt ist ein interkommunaler Prozess."

Meinung

Ran ans Modellhafte

Von SZ-RedakteurMichael Beer

Es klingt verwegen: Die Straßen der Stadt sollen für alle da sein. In den vergangenen Jahrzehnten haben Eltern ihren Kindern eingebleut, die Asphaltflächen zwischen den Bordsteinen nur ja zu meiden. Zur Schule, zu Freunden ging's mit dem Auto. Das Rad war für den Wald. Das Ende vom Lied: Auf der Straße galt das Motto "schneller, lauter, aufdringlicher". Der Gedanke, das zu ändern, klingt genauso gut wie aussichtslos. Eine Biosphärenstadt darf sich aber gerne auch mal ans Modellhafte wagen. Zu verlieren gibt es an dieser Stelle nichts.

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