Eine besondere Geschichtsstunde

Homburg · Einen ungewöhnlichen Einblick in die Zeit zwischen 1870 und 1950 gab es gestern im Saarpfalz-Gymnasium. Mit Unterstützung von Minister Toscani erläutert Ingo Espenschied an saarländischen Schulen, wie es zum Ersten Weltkrieg kommen konnte und was wir aus dieser Katastrophe lernen sollten.

 Wer nach 1950 geboren ist, kann sich kaum vorstellen, wie es sich anfühlt, in allen Nachbarn nur Feinde und Kriegsgegner zu sehen. Auf dieser Landkarte von 1870 erkennt man, dass jedes Land in Europa sein Nachbarland als Monster empfand. Ein idealer Nährboden für Hass und Krieg. Fotos: Maack/SZ

Wer nach 1950 geboren ist, kann sich kaum vorstellen, wie es sich anfühlt, in allen Nachbarn nur Feinde und Kriegsgegner zu sehen. Auf dieser Landkarte von 1870 erkennt man, dass jedes Land in Europa sein Nachbarland als Monster empfand. Ein idealer Nährboden für Hass und Krieg. Fotos: Maack/SZ

 Der Musiksaal des Saarpfalz-Gymnasiums war voll mit Oberstufenschülern, die sich über den Ersten Weltkrieg informieren wollten.

Der Musiksaal des Saarpfalz-Gymnasiums war voll mit Oberstufenschülern, die sich über den Ersten Weltkrieg informieren wollten.

 Ingo Espenschied von Dokulive, Tina Schöpfer vom Europaministerium und Simone Lukas, Lehrerin am Saarpfalz-Gymnasium (v.l).

Ingo Espenschied von Dokulive, Tina Schöpfer vom Europaministerium und Simone Lukas, Lehrerin am Saarpfalz-Gymnasium (v.l).

Wann beginnt ein Krieg? Wie schaffte man es, dass innerhalb kürzester Zeit ganz Europa in einen Kriegstaumel geriet? Warum folgte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges einem Räderwerk, dem niemand in die Speichen griff? Fragen über Fragen.

Auf die der Politologe Ingo Espenschied Antworten geben konnte. Er war gestern zu Gast im vollen Musiksaal des Saarpfalz-Gymnasiums, um 90 Minuten lang über den Ersten Weltkrieg einen etwas anderen Geschichtsunterricht zu erteilen. Dass er es verstand, die Oberstufenschüler in seinen Bann zu ziehen, konnte man an der Konzentration erkennen, die im Saal zu spüren war.

Niemand kam auf die Idee zu schwatzen, zu lachen oder gar sein Frühstücksbrot auszupacken. Im Gegenteil, zeitweise hätte man eine Stecknadel fallen hören. Espenschied hat für seine Vorträge ein eigenes Format entwickelt, das er Dokulive nennt. "Ich schreibe die Texte selbst und versuche, eine Epoche in ihrer Gesamtheit abzubilden. Dazu gehören neben den Fakten und Zahlen auch Stimmungsbilder und wahre Geschichten am Rande."

Im Fall des Ersten Weltkrieges eignete sich dazu eine wunderbare Anekdote, die sogar Präsident Hollande in seiner Rede am 3. August 2014 am Hartmannswillerkopf erwähnte: Im Jahr 1981 findet Ferand Boulanger in dem Dorf Fiquelmont auf dem Dachboden seines Bauernhofs eine handschriftliche Botschaft in einer Glasflasche. Sie wurde am 17. Juli 1916 von deutschen Soldaten des 2. Husarenregiments der Reserve verfasst und ruft die kommenden Generationen zum Frieden auf: "Utopie und mögliches Eden ist ein geeintes Europa" heißt es darin.

Eine gute Klammer für Espenschieds Vortrag: Er begann mit dieser Geschichte sein Panorama über den Ersten Weltkrieg - und nutzte sie auch, um zu einem versöhnlichen Ende zu kommen. Denn ein "mögliches Eden" haben wir ja inzwischen tatsächlich erreicht - zumindest, was Frieden im Herzen Europas anbelangt. Das sahen auch die Schülerinnen und Schüler so: "Wir kennen es ja gar nicht anders, als von friedlichen Nachbarn umgeben zu sein", sagt eine Schülerin.

Yannik Neumann aus der 11. Klasse war von dem außergewöhnlichen Geschichtsvortrag sehr angetan: "Man fühlt sich durch die Bilder und durch die lebendige Schilderungen dieser Epoche den Menschen näher." Aaron Bender, der mit einer Schülergruppe schon mal in Verdun war, betonte, dass er durch den Vortrag "wieder ein paar neue Aspekte" kennengelernt habe. Sophie Müller, die sehr engagiert in der Geschichts-AG ihrer Schule mitarbeitet und auch in Verdun dabei war, lobte den Vortrag ebenfalls: "Man kriegt hier mehr mit als in einer herkömmlichen Geschichtsstunde." "Der Vortrag hat uns hier alle sehr gefesselt", betonte auch Charlotte Hallmann. Ermöglicht wurde der Besuch von Ingo Espenschied mit der finanziellen Unterstützung des Europa-Ministeriums von Stephan Toscani . Der Vortrag am Saarpfalz-Gymnasium ist der Auftakt für eine Vortragsreihe an mehreren Schulen im Saarland, informierte Tina Schöpfer vom Referat für Grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Espenschied ist gut gebucht bei Erwachsenen, "aber Minister Toscani war es wichtig, dass er in die Schulen geht", betonte Tina Schöpfer.

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