Puppenspieler zaubern ein Märchen um Macht und Gier

Saarbrücken. Sagenhaft, wie witzig Schillers "Don Carlos" sein kann. Völlig dahin ist alles Heldische, Pathetische, zu Tränen Rührende. Kein Wunder, bei diesen Marionetten, skurrile Karikaturen in Holz (Figuren: Boris Sawitzky, Udo Grabowski), die sich da um die Geschicke der spanischen Krone balgen. Im Kleinen Theater im Rathaus hat die Puppenspielsaison begonnen

 Das Figurentheater Gingganz spielt "Don Carlos". Foto: Iris Maurer

Das Figurentheater Gingganz spielt "Don Carlos". Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Sagenhaft, wie witzig Schillers "Don Carlos" sein kann. Völlig dahin ist alles Heldische, Pathetische, zu Tränen Rührende. Kein Wunder, bei diesen Marionetten, skurrile Karikaturen in Holz (Figuren: Boris Sawitzky, Udo Grabowski), die sich da um die Geschicke der spanischen Krone balgen. Im Kleinen Theater im Rathaus hat die Puppenspielsaison begonnen. Zum Auftakt für Erwachsene zeigte das Göttinger Theater Gingganz eine humorvoll aufgeputschte Version des Schiller-Dramas "Don Carlos", "Der Infanterist von Spanien oder Das kommt davon, wenn man seine Stiefmutter liebt", heißt es hier, angereichert mit Kasper als trotteligem Entertainer, Bomben werfendem Revoluzzer Marquis Posa und markerschütternden Liebesliedchen. Don Carlos ist eine wahre Jammerfigur mit Sprachproblem und Herzschmerz, seine angebetete Elisabeth, die ihm sein Vater, König Philipp, vor der langen Nase weggeheiratet hat, singt Gewölbe erschütternd "Only you". Und der entscheidungs-schwache, fassförmige König mit Knitterkrone kriegt gerade noch Hanteln mit Zepter hin. Dabei gehen Gerüchte, Don Carlos und Kumpel Posa wollten sich Flandern aneignen.Auch von ungehöriger Liebelei zischelt man. Die beiden Puppenspieler Mechthild und Michael Staemmler zaubern aus Don Carlos eine satirische Mär um Macht und Gier. Wie sie mit flinken Aktion und stimmlicher Vielfalt über dem samtenen Aufbau königlicher Gemächer mit zehn Marionetten agieren, auf Schlagzeug und Akkordeon den Kriminaltango und ähnliche Weisen spielen und alles unaufhaltsam auf ein Ende mit Krawall und Krawumm zusteuern lassen, ist eine Schau und zum Totlachen. Beste Stimmung im vollen Kleinen Theater. Mit der ging es auch Sonntags weiter, als Gingganz Andersens Märchen "Die Nachtigall" als Schattenspiel für die Kleinen zeigte. Nicht alles besitzt der Kaiser von China, auch die Nachtigall, die so schön singen kann, muss er noch haben. Oder ist eine mechanische etwa viel besser? Mit feinen Scherenschnittfiguren, Saitenklängen und Flötenspiel erzählt Gingganz die Geschichte um Natur und Technik, Besitz, Freiheit und erdrückende goldene Käfige. Ein so zartes Vögelchen ist die Nachtigall, deren Gesang hier Farben zum Schillern bringt und so dumm der Hofmeister, der Kuh und Frosch mit dem Singvogel verwechselt, so albern die Hofdamen, dass die Kinder kichern und gebannt lauschen. Toll, wie des Kaisers Bettpfosten zu Tod und Teufel werden und die Finger der Puppenspieler zu Geistern. Der mechanische Vogel tut seinen langweiligen Dienst nur kurz, "Der ist kaputt", rufen die Kinder. Es geht eben nichts über eine richtige Nachtigall, nur auf Käfige kann man verzichten. Viel Applaus für ein bezauberndes Spiel.

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