Ohne Angst vor Bomben leben

Saarbrücken. Die Talat-Alaiyan-Stiftung erhält heute in der Staatskanzlei die Auszeichnung "365 Orte im Land der Ideen". Die Initiative "Deutschland - Land der Ideen" würdigt damit deren Anliegen, den Dialog zwischen palästinensischen und israelischen Jugendlichen zu fördern

 Die Talat Alayain Stiftung hat eine Gruppe Jugendlicher aus Israel und Palästina nach Saarbrücken geholt. Die Jugendlichen schauten sich gemeinsam die Altstadt an. Foto: Iris Maurer

Die Talat Alayain Stiftung hat eine Gruppe Jugendlicher aus Israel und Palästina nach Saarbrücken geholt. Die Jugendlichen schauten sich gemeinsam die Altstadt an. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Die Talat-Alaiyan-Stiftung erhält heute in der Staatskanzlei die Auszeichnung "365 Orte im Land der Ideen". Die Initiative "Deutschland - Land der Ideen" würdigt damit deren Anliegen, den Dialog zwischen palästinensischen und israelischen Jugendlichen zu fördern.

Eine Freundschaft zu Gleichaltrigen aus dem verfeindeten Lager - das ist für die meisten Jugendlichen aus Nahost völlig unvorstellbar. Fued, 24-jähriger Christ und Jurastudent aus Bethlehem, hat viel erlebt: Sein Elternhaus wurde durch Bomben zerstört. Einige seiner Bekannten haben ihr Leben verloren. Deshalb findet er es schwer, Vertrauen aufzubauen. Er sagt über das Projekt: "Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, hätte ich nie gedacht, dass ich jemals mit einem Israeli reden würde." Vergangenen Freitag hat er sogar mit einer neu gewonnenen israelischen Freundin am Sabbat teilgenommen. Er erzählt weiter, dass sich die Gruppen nun gemischt hätten und man den Aufenthalt gemeinsam genieße. Er bedauert aber, dass das Projekt innerhalb der Konfliktregion keine Zukunft habe.

Der 17-jährige Liat aus der israelischen Stadt Yavneel macht sich während der Zeit in Deutschland wenig Gedanken über den Konflikt zuhause. Er findet allerdings, dass das militärische Vorgehen Israels der eigenen Verteidigung diene.

Grace, 18, Muslimin aus Bethlehem, gefällt an Deutschland vor allem die Unbekümmertheit im Alltag. Ohne Angst vor Bomben und Panzern leben zu können, findet sie sehr wichtig. Sie hat hier erkannt, dass es unter den Jugendlichen eigentlich keine großen Unterschiede gibt: Alle wollen hier eine schöne Zeit verbringen und wünschen sich endlich Frieden für ihr Land. Trotzdem befürchtet sie, dass der Kontakt nach ihrer Rückkehr abbrechen wird.

Die Gründerin der Stiftung, Ärztin Dr. Halima Alaiyan aus Saarbrücken bestätigt, dass es zu Anfang noch regelrecht "dicke Luft" zwischen den Gruppen gegeben habe. Meist seien es die weiblichen Teilnehmerinnen gewesen, die den ersten Schritt gewagt hätten. Durch die gemeinsamen Erlebnisse habe man sich angenähert. Auf dem Programm standen die Besichtigung der Überreste der Berliner Mauer und der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen. Das Phänomen der geteilten Stadt kennen viele Teilnehmer: in Bethlehem trennt eine Mauer palästinensische Freunde und Familien. Nur zweimal im Jahr dürfen sie die heiligen Stätten der Christen und Muslime in Jerusalem besuchen. Sachsenhausen und die Judenverfolgung erinnerte die Jugendlichen an die Erfahrung von Gewalt und Schmerz. Erfahrungen, die beide Völker vereinen. Ein Besuch in Schengen und die Überschreitung der deutsch-französischen Grenze im Saarland beeindruckte die Jugendlichen sehr. Hier erfuhren sie am Beispiel Europas, dass die Überwindung von Feindseligkeiten und eine Öffnung der Grenzen möglich ist. In den von Israel besetzten Palästinensergebieten müssen sie ständig militärische Checkpoints passieren.

Zutiefst verwundert hat die Gäste das mangelnde Wissen der deutschen Jugendlichen über die Nahost-Problematik. Alaiyan sagt, sie hätten dadurch das Gefühl, die Welt habe sie vergessen. Dennoch: Ihr Projekt sieht sie als Schritt in die richtige Richtung.

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