Die Energie bleibt: Ein Streifzug durch die Geschichte des ehemaligen Grubenstandortes Reden

Grube Reden: Am 29. Dezember 1995 war Schluss für den Kohleförderstandort Reden. Industriekultur-Experte Delf Slotta und SZ-Redakteurin Claudia Emmerich schürfen zum 20. Jahrestag in der Historie. Eine subjektive Auswahl von A bis Z

 Das Portal des Redener Zechenhauses, aufgenommen bei Nacht. Bis Ende November war hier Spielort für die Bergbau-Ausstellung „Das Erbe“, die jetzt digitalisiert weiterlebt. Rechts steht die Koelle-Statue des Saarbergmanns, der „Redener Hannes“. Foto: Robby Lorenz

Das Portal des Redener Zechenhauses, aufgenommen bei Nacht. Bis Ende November war hier Spielort für die Bergbau-Ausstellung „Das Erbe“, die jetzt digitalisiert weiterlebt. Rechts steht die Koelle-Statue des Saarbergmanns, der „Redener Hannes“. Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz

Anfänge der Grube Reden - da wird stets auf einen 1846 im Klinkenthal angeschlagenen Wasserlösungsstollen und dann auf die 1847 in der Landsweiler Flur "Im Grubenwald" angehauene Schachtanlage verwiesen. Der Bergbau im Schiffweiler Raum ist jedoch schon im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit urkundlich erwähnt. Belege für das wilde Kohlegraben an den ausstreichenden Flözen mit einfachem bergmännischen Werkzeug finden sich an vielen Orten in den Wäldern der Umgebung.

Barbara, die Schutzheilige der Bergleute, hatte auch in Reden in unterirdischen Stollen ihre Nische. Eine Fürsprecherin und Nothelferin können die Bergleute bei den Gefahren unter Tage brauchen. Im Schichtgebet vor der ersten Anfahrt bitten sie um Schutz und eine glückliche Ausfahrt. Barbara-Bruderschaften entstanden aus bergmännischer Tradition außerhalb des Arbeitsalltags. Die heilige Barbara lebte zur Zeit der Christenverfolgung in der heutigen Türkei und starb als Märtyrerin für ihren Glauben. Auf ihrer Flucht soll sich eine Felsspalte für sie geöffnet haben. Ihr Festtag ist der 4. Dezember.

Chef auf einer Grube zu sein, war eine herausgehobene Position. Eine hohe Verantwortung oblag dem Bergwerksdirektor. Der Bergbau an der Saar, der staatlich geführt war, verfügte über eine ausgeprägte Sozialhierarchie. Verschiedene bergmännische Stände hatten sich im Laufe der Zeit herausgebildet. Aber nur die Gesamtbelegschaft garantierte das Funktionieren der arbeitsteilig organisierten Betriebe, als die die Bergwerke zu verstehen sind.

Digitalisieren - das ist die Überlebensstrategie für die Bergbau-Landesausstellung "Das Erbe". Sie dokumentiert die Arbeit unter Tage, beleuchtet die Alltags- und Sozialgeschichte der bergmännischen Welt und thematisiert die Herausforderungen der Nach-Bergbauzeit. Die Schau in der ehemaligen Waschkaue des Redener Zechenhauses schloss nach drei Jahren Ende November. Jetzt schließt sich also eine moderne Form der Erinnerungskultur an: Alle 1200 Exponate bleiben im Netz zugänglich. Der Steinkohlebergbau im Saarland war am 30. Juni 2012 nach 250 Jahren zu Ende gegangen.

Einfahren - auch heute liefern sich Bergleute noch einem ungewissen Lebensschicksal aus. Und auch auf Reden drehen sich täglich die Seilscheiben. Das ist ein Zeichen, dass hier wieder Kameraden einfahren, um die Wasserhaltung aufrechtzuerhalten. Früher beschrieben die Bergleute in ihren Erinnerungen die Seilfahrt als nachwirkendes Schockerlebnis. Der schnelle unvermittelte Abschied vom Licht trug dazu bei. Heute ist Einfahrt fast Routine. Doch ein wenig bleibt die Angst ständiger Begleiter - bei jeder Schicht!

Fördergerüste sind die Wahrzeichen der Bergwerke, so auch auf Reden . Sie erheben sich stolz über den übrigen Tagesanlagen. Unmittelbar hinter dem Redener Zechenhaus steht die 1949 aufgestellte Eisenkonstruktion über Schacht Reden V. Das Gerüst über Schacht IV ist zehn Jahre älter. Beide denkmalgeschützte Architekturen stammen von der legendären Saarbrücker Stahlbau firma Seibert.

Gondwana ist als Leit-Investition für den Standort Reden begrüßt worden. 2008 eröffnete Investor Matthias Michael Kuhl sein Haus (Erweiterung 2013), das sich heute Indoor-Erlebnismuseum nennt. Erzählt wird die Evolution vom Urknall bis heute. Gondwana - das mit öffentlichem Geld geförderte Millionen-Projekt - war immer auch ein Politikum. Aber Tyrannosaurus Rex schnaubt noch.

Helmut Schmidt - prominenter Besuch am 7. Februar 1975 auf Grube Reden . Der Bundeskanzler besuchte nicht nur das Bergwerk, er fuhr auch ein und war nah an den Menschen dran. Nach der Schicht gab es nach Bergmannsart eine Prise Schnupftabak. Und zu essen gab es eine "Saarländische Gromberesopp met Lionerweerschtcher on Lothringer Weißbrod", wie es die Saarbergwerke damals verlauten ließen.

Industriekultur - es waren Naturwissenschaft und Technik sowie Industrie und Handel, die die Orte, Landschaften und Lebensbedingungen der Menschen im 19. und 20. Jahrhundert stärker veränderten als alles andere menschliche Wirtschaften je zuvor. Sie prägten in jeder Hinsicht die Arbeits- und Alltagswelt der Menschen. Die Maschine gab dieser Epoche ihren Namen: das Maschinenzeitalter, und die Industrie ihrer Kultur: die Industriekultur.

Jodeln gehört in die alpenländische Bergwelt, oder? Aber irgendwie inzwischen auch zur Bergehalde Reden . Seit 2008 lockt die Sommeralm des Saarländischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Neunkirchen jedes Jahr Tausende Menschen aufs Haldenplateau in 390 Meter Höhe. Und ein bisschen Alpen sind irgendwie dabei. Denn die Schweizer Fahne weht schon mal auf dem Halden-Gipfel. Davos, Schweizer Alpen-Luftkurort auf 1560 Metern Höhe, ist Partnerstadt der Sommeralm. Holadaittijo!

Koelle und der "Saarbergmann": Friedrich (Fritz) Josef David Koelle war Bildhauer. Geboren 1895 in Augsburg und gestorben 1953 in Probstzella im Interzonenzug München-Berlin, hatte bereits in den 1920er Jahren den Berg- und Hüttenmann als Motiv für seine Skulpturen entdeckt. Mit der Heirat der aus St. Ingbert stammenden Malerin Elisabeth Karmann 1925 hatte er die Industrieregion kennengelernt. Sein vor dem Redener Zechenhaus stehender "Saarbergmann" (1937), liebevoll "Redener Hannes" genannt, zählt zu seinen Hauptwerken.

Lampenstube - sie ist einer der größten Räume im Redener Zechenhaus. Tausende von Lampen wurden einst hier vorgehalten. Gemeinsam mit Verwaltung, Bädern, Steigerstuben, Verlesesaal, Magazin, Verbandsstuben und Markenkontrolle bildete der am 10. Juli 1938 seiner Bestimmung übergebene Raum ein zum damaligen Zeitpunkt modernes und repräsentatives Ensemble.

Mutterklötzchen sind ein etwa fußlanger und möglichst astreiner Holzabschnitt, der in den Bergmannsfamilien als Anmachholz verwendet wurde. Traditionell wurden Mutterklötzchen vom Grubenholz am Arbeitsplatz "abgezweigt". Sie dienten zu Hause der Mutter zum Entzünden der Kohleöfen und Küchenherde. Dieser Holzdiebstahl war zwar verboten, wurde aber als Gewohnheitsrecht angesehen.

Neue Nutzung prägt inzwischen den ehemaligen Grubenstandort Reden . Irgendwie auch am Namen ablesbar: Aus dem Bergbau-Standort wurde das Strukturwandel-Projekt Zukunftsort, dann der Garten Reden und programmatisch neu ausgerichtet jetzt der Erlebnisort. Energiestandort ist Reden aber auch heute: Die Photovoltaik-Anlage Brönnchesthal sammelt jetzt Sonne ein.

Oberbergamt und Bergamt gehören ebenso zu den Mietern im ehemaligen Verwaltungsgebäude wie das Zentrum für Biodokumentation, das Landesdenkmalamt und das Institut für Landeskunde. Dazu kommen die Tourismus- und Kulturzentrale des Landkreises Neunkirchen nebst Regionaler Entwicklungsagentur sowie die Betreiber des Bistros "Redener Hannes". Gondwana-Investor Kuhl hatte das Zechenhaus saniert.

"Portion" und "Priem" - bei Saarbergleuten "geflügelte Worte"! Die Portion waren 125 Gramm Lyoner, Weck und Senf. Priem ist Kautabak. Und der Kautabak, den es in Rollen, Streifen, Würfeln oder Platten ebenso in der Kaffeeküche zu kaufen gab, war gleichfalls beliebt. Das "Bergmannsfrühstück" hat überlebt, die Liebe zum Kautabak ist zumeist gewichen.

Qualität ist es, was den Standort Reden ausmacht. Denn Reden war "die" Grube im Ostraum des Saarreviers. So arbeiteten auch viele Saarbergleute hier und haben somit ganz eigene, sprich ihre individuellen Erinnerungen an dieses Bergwerk. Was den Standort historisch wertvoll macht, sind die vielen wertvollen Gebäude und Landschaftselemente, die Reden heute den Namen "Erlebnisort" eingebracht haben.

Reden - Friedrich Wilhelm Graf von Reden , geboren 1752 in Hameln und gestorben 1815 in Michelsdorf im Riesengebirge, wurde namensgebend für die Grube Reden . Er gilt als "der" große Förderer des Deutschen Bergbaus und im Besonderen als der Begründer des schlesischen Bergbaus. 1802 wurde Reden Oberberghauptmann und Leiter des Berg- und Hüttendepartements in Berlin. 1803 erfolgte seine Ernennung zum Bergwerksminister. Schließlich wurde er durch Friedrich Wilhelm II. in den Grafenstand erhoben.

Schicht im Schacht - am 30. Dezember 1995 schrieb die SZ: "Seit gestern ist Schluß: Mit der Ausfahrt der Frühschicht um 12 Uhr hat die Grube Reden als Kohleförderstandort aufgehört zu existieren. Künftig übernimmt das Verbundbergwerk Göttelborn/Reden diese Aufgabe, wird die Kohle mittels einer Verbindungsstrecke unter Tage und des am 2. November in Betrieb genommenen Schachts vier in Göttelborn zutage gefördert. Was wird aus Reden ? . . . Wo gestern noch rund 1800 Mann beschäftigt waren, wird in einem Jahr niemand mehr sein', so der Bergwerksdirektor Hans-Walter Bronder."

Treppen im Redener Zechenhaus - sie sind immer wieder ein besonderer Blickfang. Extrem ausgetreten sind sie, vor allem am Aufgang zum 1. Obergeschoss, wo sich der Verlesesaal, die Kaue und die Lampenstube befanden. Schließlich wurden sie seit dem Bau des Zechenhauses in den Jahren 1936-1938 tagein und tagaus von Tausenden Bergleuten genutzt.

Unfälle im Bergbau: Sie hielten immer wieder die Menschen in Atem. Die Redener Grubenunglücke vom 20. Oktober 1864 und vom 28. Januar 1907, bei denen 34 beziehungsweise 150 Bergleute tödlich verunglückten, sind bis heute unvergessen geblieben. Die Denkmalanlage mit den zwei eindrucksvollsten Gedenksteinen hält die Erinnerung an diese schlimmen Ereignisse wach.

Verlesesaal - er bildet das Herzstück des berühmten Redener Zechenhauses. Architektur als "gebauter Gedanke" tritt dem Besucher hier entgegen. Streng und monumental wirkt die nationalsozialistische Herrschaftsarchitektur, aber auch ausgewogen in den Proportionen. Früher wurden hier vor der Schicht die Bergleute namentlich verlesen und in ihre Arbeiten eingewiesen. Auch das An- beziehungsweise Einfahrtsgebet fand hier nach dem Schlagen der Schichtglocke statt.

Was kommt danach? Ein "Zukunfts-Workshop", den der Saar-Ministerrat 1997 beschloss, sollte die Folgen der Schließung Verbund-Bergwerk Göttelborn-Reden im Jahr 2000 abmildern. Am 14. November 1997 schrieb die SZ: "Wirtschafts- und Finanzministerin Christiane Krajewski (SPD ) sagte, daran sollten die Bürgermeister und Gemeinderäte, aber auch die Vertreter von Handel und Gewerbe in der betroffenen Region beteiligt werden. . . . Gleichzeitig sollten bereits Perspektiven gesucht werden, wie das Grubengelände . . . genutzt werden kann. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes, Richard Weber , will anregen, daß die Unternehmen der Saar-Wirtschaft sich dafür engagieren, daß die Bergleute Arbeitsplätze in anderen Branchen finden."

Zusammenhalt gilt im Bergbau etwas. Kameradschaft wird gelebt. Auch in Reden . Die Bergleute sind gemeinsam den Gefahren unter Tage ausgesetzt. Das schweißt zusammen. Nach der Schicht gehört da das gesellige Bier dazu. Auch die Freizeit teilen die Bergleute. Davon zeugen ein lebendiges Vereinswesen und eine vitale Feste-feiern-Kultur.

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