Momentaufnahmen aus einem fremden saarländischen Alltag

Saarbrücken. Auf den ersten Blick sind auf den Fotografien der jungen, elternlosen Flüchtlinge aus Afghanistan einfache Alltagsmotive eingefangen: eine Heiligenstatue, ein in die Kamera lächelnder kostümierter Mann, auf dem Trottoir liegende Geldmünzen. Und doch spiegelt sich in ihnen wieder, wie die Jugendlichen das für sie neue, unvertraute Leben in Deutschland sehen

 Ein geschminkter Mann in der Innenstadt? Was in Saarbrücken niemanden stört, würde in Afghanistan geächtet. Foto: Ezat Z.

Ein geschminkter Mann in der Innenstadt? Was in Saarbrücken niemanden stört, würde in Afghanistan geächtet. Foto: Ezat Z.

Saarbrücken. Auf den ersten Blick sind auf den Fotografien der jungen, elternlosen Flüchtlinge aus Afghanistan einfache Alltagsmotive eingefangen: eine Heiligenstatue, ein in die Kamera lächelnder kostümierter Mann, auf dem Trottoir liegende Geldmünzen. Und doch spiegelt sich in ihnen wieder, wie die Jugendlichen das für sie neue, unvertraute Leben in Deutschland sehen.Zu betrachten sind diese Fotos in der Ausstellung "Welcome Germany - Fotografie zwischen Flucht und Ankommen" in der PSD Bank in Saarbrücken. Noch bis zum 20. Juli zeigt dort das Diakonische Werk an der Saar (DW Saar) 20 Fotoaufnahmen von acht Flüchtlingen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. Entstanden sind die Fotos in einem interkulturellen Projekt des DW Saar. Zum Teil machten die Jugendlichen Aufnahmen mit der Digitalkamera in Völklingen, teils in Saarbrücken. Dabei erheben die Fotoarbeiten keinen Anspruch, professionell zu sein, sondern wollen vielmehr "ein Stück der deutschen Kultur aus ihrer Wahrnehmung abbilden", sagt die Projektleiterin des DW Saar, Christine Ludwig. Für die meisten Deutschen normale, alltägliche Dinge wie eine blühende Rose, eine Bahnhofsuhr oder ein schnelles Auto bedeuteten für die jungen Männer etwas Neues und Anderes, erklärte Ludwig. Wie ist dann der Ausstellungstitel "Welcome Germany" zu verstehen? "Die jungen Männer heißen Deutschland willkommen. Sie haben den Blick auf Deutschland gerichtet und sich damit ein Stück von Afghanistan verabschiedet", sagt Ludwig.

Vier der ausgestellten Fotoarbeiten kommen von dem 17 Jahre alten Ezat Z. (Name geändert). Auf einem Bild von ihm ist ein geschminkter, kostümierter Mann zu sehen. "In Afghanistan wäre es völlig undenkbar, sich als Mann zu schminken und in eine Fußgängerzone zu stellen", erklärt Ezat. Männer wie diese würden in seinem Heimatland gesellschaftlich geächtet, so Ezat. Ein weiteres Foto, auf dem der Jugendliche eine steinerne Heiligenstatue ins Bild gesetzt hat, spiegelt ebenfalls einen krassen kulturellen Unterschied zu seiner Heimat wieder. "Wer in Afghanistan ein Kreuz trägt oder herzeigt, den würde man umbringen", so Ezat. In dem stark islamisch geprägten Staat käme solch ein Akt einer Todsünde gleich. Zurzeit wohnt Ezat in einer Jugendwohngemeinschaft in Völklingen und besucht die Ludwigspark-Gesamtschule in Saarbrücken. Wegen der Taliban floh er aus dem östlich von der afghanischen Hauptstadt Kabul gelegenen Dschalalabad. Mit Hilfe von Schleppern gelangte er über den Iran, die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich ins Saarland, wo er seit acht Monaten lebt. Deutschland sei für ihn seine "zweite Heimat" geworden, sagt der Jugendliche. bera

Geöffnet montags bis mittwochs von 9 bis 16 Uhr, donnerstags von 9 bis 17.30 Uhr und freitags von 9 bis 14 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort