Ich hab' nix gegen Fremde, aber …

Thea hat Besuch. Mal wieder. Von ihrer latent rassistischen Tante Eusebia. Wie meine beste Freundin sie wenig charmant tituliert. Weil deren von Vorurteilen strotzenden Floskeln über Gewohnheiten und Aussehen fremder Völker Thea an den Rand des Wahnsinns treibt. Tobi weiß darum. Mein Kumpel sieht darin den generellen Abklatsch eines gesamtgesellschaftlich unterschwelligen Meinungsbildes

Thea hat Besuch. Mal wieder. Von ihrer latent rassistischen Tante Eusebia. Wie meine beste Freundin sie wenig charmant tituliert. Weil deren von Vorurteilen strotzenden Floskeln über Gewohnheiten und Aussehen fremder Völker Thea an den Rand des Wahnsinns treibt. Tobi weiß darum. Mein Kumpel sieht darin den generellen Abklatsch eines gesamtgesellschaftlich unterschwelligen Meinungsbildes. Was Thea wahrlich nicht beruhigt. Dabei beteuert die Patin stets, keine Ressentiments zu hegen. Doch ein Quäntchen schaler Beigeschmack bleibt. Spätestens, nachdem es bei ihrer Familienfest-Visite zum Eklat kam. Da hatte Tantchen nach dem ersten Treffen mit der brasilianischen Frau ihres Bruders völlig unbedarft geäußert: "Ist 'ne Mulattin, aber sauber." Hielt das für ein Kompliment, als schockierte Blicke ihr entgegengeworfen wurden.Eusebia ist rasch dabei, wenn's um spitze Bemerkungen geht. Dann rutscht ihr der Spaghettifresser über die Lippen, wenn sie zur von Italienern geführten Eisdiele marschiert. "Merkt Ihr das nicht? Hier riecht's streng nach Knoblauch", mault sie. Vor einer türkischen Dönerbude. Am Ruhetag hermetisch abgeriegelt. Ihre Abschätzigkeit gegenüber einem Bekannten, der geizig Geld rafft, bringt Eusebia auf den Punkt: "Der kann wie ein Jud' mit Geld umgehen." Sogar an eigenen Landsleuten findet sie was zu mosern. Denn ihre russlanddeutschen Nachbarn kommen ihr suspekt vor. Tante Eusebia abgeschmackt: "Die kochen den ganzen Tag Kohl." Gewiss, ganz schön verwerflich.

Mit derlei Sprüchen soll nun Schluss sein. Versprochen. Was Thea und Tobi nicht koscher ist. Lassen es dennoch auf einen Versuch ankommen. Luden die taffe Dame zum Abendessen. Da schreitet Theas jüdische, dunkelhäutige Freundin mit einer Schüssel in der Hand aus der Küche an den gemachten Tisch. Eusebia zu ihrer Nichte gewandt: "Wusste gar nicht, dass Du Dir mit Deinem Gehalt Personal leisten kannst."

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