Heftiger Streit um Pläne für Lehrer-Auswahl

Saarbrücken. Helle Aufregung hat gestern in den Einrichtungen der Saar-Uni geherrscht, die sich mit der Lehrerausbildung befassen. "Der Universitätspräsident ist aus allen Wolken gefallen. Das war ein Schuss aus der Hüfte vom Minister", sagte der Leiter des Zentrums für Lehrerbildung, Hans Werner Bedersdorfer, der SZ

Saarbrücken. Helle Aufregung hat gestern in den Einrichtungen der Saar-Uni geherrscht, die sich mit der Lehrerausbildung befassen. "Der Universitätspräsident ist aus allen Wolken gefallen. Das war ein Schuss aus der Hüfte vom Minister", sagte der Leiter des Zentrums für Lehrerbildung, Hans Werner Bedersdorfer, der SZ. Ulrich Commerçon (SPD) hatte tags zuvor seine Pläne für eine Reform der Lehrerausbildung vor 200 Schulleitern erläutert (die SZ berichtete). Der Minister will Lehramtsanwärter vor dem Studium zu einem halben Jahr Schulpraxis verpflichten, um die Berufseignung vom Numerus Clausus (NC) unabhängig zu machen. Und er will sehr früh falsche berufliche Weichenstellungen verhindern. Bedersdorfer sagte, dass er dem Anliegen des Ministers zustimme. "Doch seine Maßnahme ist nicht geeignet, das Ziel zu erreichen", so der Experte. Jedes Jahr gebe es 4500 Bewerber für 350 Lehramtsstudienplätze im Saarland. "Wir haben jetzt schon im Schnitt 1500 Studierende, die im Studium an den Schulen Praktika absolvieren. Wenn Sie da noch 4500 zupacken, dann heben sich die Schuldächer", so Bedersdorfer. Derzeit würden von 350 Studienanfängern am Ende nur 200 bis 250 übrig bleiben. Viele überschätzten ihre pädagogischen Fähigkeiten. Uni-Präsident Volker Linneweber merkte an: "Die Praxisanteile in den Lehramtsstudiengängen wurden schon bei der vergangenen Reform des Studiums vor einigen Jahren deutlich erhöht."Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich unterstellte dem Minister, dass er eingesparte Lehrerstellen durch Praktikanten-Einsatz kompensieren wolle. "Commerçon hat keine Ahnung von der Lehrerausbildung im Saarland", so Ulrich. Piraten-Bildungsexpertin Jasmin Maurer sieht eine "Schnapsidee" und vermutet ebenso, dass Praktikanten zu Hilfskräften werden.

Dagegen erhielt Commerçon Lob vom Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) und der Gewerkschaft GEW. "Wenn man eine andere Möglichkeit der Bestenauslese als den NC einführt, ist das positiv", sagte SLLV-Vize Bernd Schmitz. Er sieht jedoch große rechtliche Probleme, dies durchzusetzen. GEW-Chef Peter Balnis erklärte, dass der Minister GEW-Forderungen aufgreife. "Beim Lehrerberuf sind die Folgen sehr weitgehend, wenn man die falsche Wahl getroffen hat", so Balnis. CDU-Bildungsexpertin Gisela Rink sagte, dass "es definitiv noch kein Konzept gibt" und auch keine Revolution geplant sei. Die Idee von Commerçon sei gut, eine Arbeitsgruppe solle sich damit befassen. Auch die IHK begrüßte den Vorschlag des Ministers, der mit der Vertretung der Saar-Wirtschaft damit "auf einer Linie" liege. Linken-Bildungsexpertin Barbara Spaniol sagte: "Die Vorschläge des Ministers gehen in die richtige Richtung."

Eine SZ-Umfrage unter Studenten ergab ein kritisches Bild. "Es ist fraglich, ob ein Praktikum vor dem Studium sinnvoll ist. Schließlich braucht es Fachwissen, um Unterricht zu halten. Und das lernt man im Studium", so Lehramtsstudent Mathias Schulz (7. Semester). Eine Praxisphase zu Beginn sei nur mit Uni-Unterstützung sinnvoll, so Anne Maurer (7. Semester): "Vielleicht mit einem Begleitseminar. Ansonsten sind die Praktikanten doch planlos." Die Lehramtsstudenten Andreas Zimmer (15. Semester) und Alexander Ladwein (16. Semester) sind gegen ein Pflichtpraktikum. "Direkt von der Schulbank wieder in die Schule hinters Pult, finde ich nicht gut. Da fehlt der Abstand", so Ladwein. Zudem machten Studenten eine Entwicklung durch: "Da ist es fraglich, ob man jemandem nach drei Monaten sagen sollte, er ist für den Beruf nicht geeignet, ohne dass er an der Uni war." "Praxisanteil des Studiums wurde bereits erhöht."

Uni-Präsident Volker Linneweber

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